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Die Überlebenden der Kerry Dancer

Die Überlebenden der Kerry Dancer

Titel: Die Überlebenden der Kerry Dancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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sechsten Sinn? Oder was ist es sonst?« Er deutete mit einer heftigen Geste dorthin, wo die Kerry Dancer lag. »Verdammt noch mal, Mann, da lebt doch kein Schwanz mehr, sehen Sie das denn nicht. Beharkt und ausgebrannt, daß sie aussieht wie ein Sieb. Glauben Sie allen Ernstes, es könnte da noch irgend jemand am Leben sein, nach allem, was die Kerry Dancer hinter sich hat? Sollten tatsächlich noch Überlebende an Bord sein, dann müßten sie doch unser Licht sehen. Warum springen sie dann nicht auf dem Oberdeck herum – falls noch so was wie ein Deck da ist – und schwenken die Hemden über ihren Köpfen? Können Sie mir das vielleicht erklären?«
    »Ich habe keine Ahnung, Sir, was der Grund sein mag, obwohl ich mir vorstellen könnte, daß es für einen Schwerverwundeten – McKinnon hat erzählt, es seien einige Fälle dabei, die auf Tragbahren transportiert wurden – mühsam sein könnte, viel zu mühsam, sich von seinem Lager zu erheben und sein Hemd auszuziehen, geschweige denn, auf das Oberdeck zu klettern und mit dem Hemd zu winken«, sagte Nicolson trocken. »Eine Bitte, Sir – lassen Sie unsere Scheinwerfer ein- und ausschalten, außerdem ein paar Zwölfpfünder und ein halbes Dutzend Raketen losmachen. Falls noch jemand am Leben ist, dann werden sie dadurch aufmerksam werden.«
    Findhorn überlegte einen Augenblick und nickte dann. »Gut, das kann ich noch verantworten – wobei ich hoffe, daß sich im Umkreis von fünfzig Meilen kein Japaner befindet. Also machen Sie, Mister Nicolson.«
    Doch das Aufblenden und Abblenden der Scheinwerfer, das dumpfe Krachen der Zwölfpfünder, deren leeres Echo über das Meer hallte, waren wirkungslos. Die Kerry Dancer sah womöglich noch lebloser aus als zuvor, ein treibendes, ausgebranntes Skelett, das immer tiefer ins Wasser sank. Und dann wurden die Raketen abgeschossen, sieben oder acht Stück, mit blendend weißer Helligkeit hoben sie sich in die pechschwarze Finsternis und beschrieben flache Bögen nach Westen; eine landete auf dem Heck der Kerry Dancer, blieb dort sekundenlang liegen und tauchte das auf- und abschwankende Deck in ein grelles, weißes Licht, bis sie schließlich sprühend verlosch. Und noch immer bewegte sich nichts an Bord der Kerry Dancer.
    »Ja, das wäre es denn wohl.« Kapitän Findhorns Stimme klang müde; wenn er auch von Anfang an keinerlei Hoffnung gehabt hatte, so war er jetzt doch enttäuscht, in stärkerem Maße, als er zuzugeben bereit gewesen wäre. »Sind Sie nun zufrieden, Mister Nicolson?«
    »Käpt'n, Sir!« Es war Vannier, der sprach, ehe Nicolson antworten konnte, mit lauter, aufgeregter Stimme. »Da drüben, Sir. Sehen Sie!«
    Findhorn hatte sich auf die Brüstung gestützt und das Fernglas vor den Augen, noch ehe Vannier zu Ende gesprochen hatte. Sekundenlang stand er unbeweglich, dann fluchte er leise, setzte das Glas ab und drehte sich zu Nicolson herum. Nicolson kam ihm zuvor.
    »Ich kann es sehen, Sir. Brecher. Knapp eine Meile südlich von der Kerry Dancer – sie muß in zwanzig Minuten, spätestens einer halben Stunde auflaufen. Das muß Metsana sein – das ist nicht nur ein Riff.«
    »Es ist Metsana«, knurrte Findhorn. »Großer Gott, ich hätte nie gedacht, daß wir schon so nahe sind! Das entscheidet den Fall. Lassen Sie die Scheinwerfer ausmachen. Volle Kraft voraus, hart Steuerbord, und halten Sie das Schiff auf Kurs 90 Grad, damit wir so rasch wie möglich viel Seeraum bekommen. Wir können jetzt jede Minute das Zentrum des Taifuns verlassen, und der Himmel allein weiß, aus welcher Richtung der Sturm dann losbricht – was zum Teufel soll das!«
    Nicolsons Hand lag auf seinem Oberarm, die sehnigen Finger preßten sich in sein Fleisch. Mit dem Finger der ausgestreckten linken Hand zeigte er auf das Heck des sinkenden Schiffes.
    »Ich habe eben ein Licht gesehen – unmittelbar nachdem unsere Scheinwerfer aus waren.« Seine Stimme war sehr leise, fast flüsternd. »Ein ganz schwacher Lichtschein – vielleicht eine Kerze, oder auch nur ein Streichholz. Unmittelbar neben der achteren Luke.«
    Findhorn sah ihn an, starrte hinüber zu der dunklen, schattenhaften Silhouette des Dampfers, und schüttelte den Kopf.
    »Ich kann leider nichts sehen, Mister Nicolson. Vermutlich irgendeine optische Täuschung, weiter nichts. Durch den Lichteinfall können auf der Netzhaut zuweilen täuschende, nachträgliche Bilder entstehen – oder vielleicht war es auch nur der Reflex der letzten ersterbenden Glut

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