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Die Überlebenden der Kerry Dancer

Die Überlebenden der Kerry Dancer

Titel: Die Überlebenden der Kerry Dancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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einer unserer –«
    »Irrtümer dieser Art passieren mir nicht«, unterbrach ihn Nicolson mit unbewegter Stimme.
    Mehrere Sekunden verstrichen, Sekunden völliger Stille, und dann fragte Findhorn: »Hat sonst noch jemand dieses Licht gesehen?« Seine Stimme klang ruhig und durchaus sachlich, mit einem wahrnehmbaren Unterton der Gereiztheit.
    Wieder das gleiche Schweigen, nur noch länger als vorhin, bis schließlich Findhorn kurz kehrt machte. »Volle Kraft voraus, Rudergänger, und – Mister Nicolson! Was machen Sie denn da?« Nicolson hängte den Hörer, in den er eben gesprochen hatte, ohne jede Hast wieder hin. »Ich habe nur darum gebeten, ein wenig Licht auf den strittigen Punkt fallen zu lassen«, sagte er, drehte dem Kapitän den Rücken zu und sah wieder hinaus auf das Meer.
    Findhorn preßte die Lippen zusammen; er machte einige rasche Schritte nach vorn, ging aber plötzlich langsamer, als jetzt der Scheinwerfer auf Backbordseite anging, unsicher über das Wasser strich und schließlich auf der Hütte der Kerry Dancer stehenblieb. Noch langsamer kam der Kapitän zu Nicolson heran, neben dem er stehen blieb, Schulter an Schulter, mit beiden Händen oben nach der Schutzreling greifend; doch der Wunsch nach einem Halt konnte nicht allein der Grund dafür sein, daß er die Reling fester und fester umklammerte, bis die Knöchel im Rückschein des Scheinwerfers, dessen Strahl unbeweglich auf der Kerry Dancer lag, wie poliertes Elfenbein schimmerten.
    Die Kerry Dancer war jetzt knapp dreihundert Meter von ihnen entfernt, und irgendein Zweifel war unmöglich. Alle sahen es, sahen es deutlich: die schmale Luke, die sich nach innen öffnete, und dann den langen, nackten Arm, der sich herausstreckte und frenetisch ein weißes Handtuch oder Laken schwenkte, diesen Arm, der plötzlich wieder verschwand und dann ein brennendes Bündel aus Papier oder Lumpen nach draußen hielt, es festhielt, bis die Flammen um das Handgelenk züngelten, und es dann ins Meer fallen ließ, in dem es zischend und rauchend versank.
    Kapitän Findhorn stieß einen Seufzer aus, einen langen, tiefen Seufzer, und lockerte den Griff seiner schmerzenden Finger. Er ließ die Schultern sinken, die müden, hängenden Schultern eines Mannes, der nicht mehr jung ist, der allzu lange eine allzu schwere Last getragen hat. Sein Gesicht war unter der dunklen Bräune fast ohne jede Farbe.
    »Tut mir leid, mein Junge.« Es war nur ein Flüstern, er sprach, ohne sich umzuwenden, und schüttelte langsam den Kopf. »Dem Himmel sei Dank, daß Sie es noch rechtzeitig gesehen haben.«
    Niemand hörte ihn, denn er sprach nur noch zu sich selbst. Noch ehe er zum Sprechen angesetzt hatte, war Nicolson bereits am Geländer der Teakholzleiter nach unten gerutscht, ohne mit den Füßen eine Stufe zu berühren. Und der Kapitän hatte seinen Satz noch nicht beendet, da hatte Nicolson schon die Sperriegel der Zurrung des Rettungsbootes an Backbordseite beiseite geschlagen und war dabei, die Davits auszuschwenken, während er gleichzeitig dem Bootsmann zurief, die Notbemannung zu alarmieren.
    Nicolson, in der einen Hand eine Feuerwehraxt, in der anderen eine große, in einer Gummihülle steckende Taschenlampe, ging rasch den Gang entlang, der durch die verbrannten Aufbauten der Kerry Dancer nach achtern führte. Das stählerne Deck unter seinen Füßen war durch die intensive Hitze ausgebeult und zu phantastischen Formen verbogen, und in geschützten Ecken lagen noch immer glimmende Stücke verkohlten Holzes. Ein- oder zweimal ließ ihn das heftige, ruckartige Schlingern des Schiffes seitlich gegen die Wand des Ganges fallen, und noch durch die Handschuhe aus dickem Leinen spürte er die Hitze. Daß das Metall, nach Stunden heftigen Windes und wolkenbruchartigen Regens, noch immer so heiß war, gab ihm eine lebhafte Vorstellung von der ungeheuren Hitze, die durch den Brand entstanden sein mußte. Für einen Augenblick beschäftigte ihn die Frage, was die Kerry Dancer wohl geladen haben mochte. Vermutlich irgendeine Konterbande.
    Als er die Hälfte des Ganges hinter sich hatte, bemerkte er rechts eine noch intakte, geschlossene Tür. Er lehnte sich nach hinten und trat mit voller Wucht gegen das Schloß: die Tür gab ein oder zwei Zentimeter breit nach, blieb aber zu. Erbittert schlug er mit der Axt gegen das Schloß, stieß die Tür mit dem Fuß auf, drückte auf den Knopf seiner Taschenlampe und stieg über die Sturmleiste. Vor seinen Füßen lagen zwei verkohlte,

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