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Die Überlebenden der Kerry Dancer

Die Überlebenden der Kerry Dancer

Titel: Die Überlebenden der Kerry Dancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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formlose Bündel auf dem Boden – möglicherweise einstmals menschliche Wesen, vielleicht auch nicht. Der Gestank, der ihm wie ein körperlicher Schlag in die Nase fuhr, war übel, unerträglich. Innerhalb von drei Sekunden stand Nicolson wieder draußen auf dem Gang und schlug die Tür mit der Axt ins Schloß. Vannier, den großen roten Feuerlöscher unter dem Arm, stand jetzt hinter ihm, und Nicolson sah, daß Vannier selbst in diesem kurzen Augenblick Zeit gehabt hatte, einen Blick durch die Tür zu werfen. Seine Augen waren vor Schreck geweitet, sein Gesicht weiß wie die Wand.
    Nicolson machte kurz kehrt und ging weiter den Gang entlang, gefolgt von Vannier, hinter dem der Bootsmann mit einem Hammer und Ferris mit einem Brecheisen ankamen. Er stieß mit dem Fuß zwei weitere Türen auf und leuchtete mit seiner Taschenlampe hinein. Leer. Dann kam er an den Absatz, wo es hinunterging zum Achterdeck, und hier war die Sicht besser, weil hierher alle Scheinwerfer der Viroma gerichtet waren. Er sah sich rasch um nach einem Niedergang oder einer Leiter. Er fand sie schnell: ein paar verkohlte Holzteile, die zweieinhalb Meter tiefer auf dem Stahldeck lagen. Eine hölzerne Treppe, völlig zerstört durch den Brand. Nicolson wandte sich an den Schiffszimmermann.
    »Ferris, gehen Sie zurück zum Boot, und sagen Sie Arnes und Dochertee, sie sollen nach achtern verholen, bis hierher zum Achterdeck. Wie sie das machen, und wie sehr das Boot dabei beschädigt wird, ist mir gleichgültig – aber wir bekommen die Kranken und Verwundeten hier nicht herauf. Lassen Sie das Brecheisen da.«
    Noch während er sprach, hatte Nicolson sich abgestützt und locker auf das Achterdeck fallen lassen. Mit zehn Schritten hatte er es überquert und schlug mit dem Stiel seiner Axt gegen die Stahltür der Hütte.
    »Jemand da drin?« rief er.
    Zwei oder drei Sekunden lang war es völlig still, dann kam ein verworrenes, aufgeregtes Durcheinander von Stimmen, die alle gleichzeitig riefen. Nicolson warf einen raschen Blick zu McKinnon hinüber und sah sein eigenes Lächeln widergespiegelt in dem breiten Grinsen des Bootsmannes. Dann trat er einen Schritt zurück und ließ den Schein seiner Taschenlampe über die Stahltür streichen. Der eine Riegel hing lose und pendelte hin und her im Rhythmus des trägen Schlingerns der Kerry Dancer, die übrigen sieben waren fest verrammelt.
    Der siebenpfündige Vorschlaghammer war ein Spielzeug in McKinnons Händen. Er schlug siebenmal zu, nicht mehr, einen Schlag für jeden Riegel, daß das Metall erdröhnte und der Schall als hohles Echo von vorn bis hinten durch das sinkende Schiff widerhallte. Dann hatte sich die Tür durch das eigene Gewicht in den Angeln gedreht und geöffnet, und sie waren drin.
    Nicolson leuchtete mit der Taschenlampe die Rückseite der Stahltür ab, und seine Lippen wurden schmal: nur der eine Riegel – der locker heruntergehangen hatte – war durch die Tür hindurch nach innen geführt; die übrigen endeten einfach als flache, vernietete Kuppen. Und dann richtete er den Blick wieder nach achtern und ließ den Schein seiner Lampe langsam die Runde durch das Logis machen.
    Es war dunkel und kalt, dumpf und feucht wie ein Kerkerverließ, ohne jeden Belag auf den schlüpfrigen Stahlplatten des Decks, und so niedrig, daß ein großer Mann knapp darin aufrecht stehen konnte. An den beiden Seiten zogen sich dreistöckige Metallkojen entlang, die völlig frei waren von solchem Luxus wie etwa Matratzen oder Decken, und ungefähr dreißig Zentimeter über jeder Koje war ein schwerer, eiserner Ring an der Wand befestigt. Quer durch das Logis ging von vorn nach achtern ein langer, schmaler Tisch, mit hölzernen Stühlen auf beiden Seiten.
    Es mochten etwa zwanzig Menschen in dem Raum sein, schätzte Nicolson; einige saßen auf den untersten Kojen, einer oder zwei standen, wobei sie sich an den Stangen der oberen Kojen festhielten, die meisten aber waren liegengeblieben. Es waren Soldaten, die da auf den Kojen lagen, und einige von ihnen sahen aus, als ob sie nie mehr aufstehen würden – Nicolson hatte schon zu viele tote Männer gesehen, er kannte diese wächsernen Wangen, diese blicklosen, stumpfen Augen, diese formlosen Kleiderbündel, die Körper ohne Knochen zu umhüllen schienen. Außerdem waren einige Krankenschwestern da, in Khakiröcken und Feldblusen mit Koppel, und zwei oder drei Zivilisten. Alle, selbst die dunkelhäutigen Krankenschwestern, hatten Gesichter, die vor

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