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Die Überlebenden der Kerry Dancer

Die Überlebenden der Kerry Dancer

Titel: Die Überlebenden der Kerry Dancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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sagen. Ist es jetzt vorbei?«
    »Mehr oder weniger. Mit dem Schiff jedenfalls, leider. Es sind noch zwei oder drei Jäger draußen, die auf den letzten Blutstropfen lauern. Irgendwelchen Ärger gehabt?«
    »Mit denen da?« Van Effen ließ den Lauf seiner Pistole verächtlich über die Crew der Kerry Dancer gleiten; fünf davon kauerten ängstlich bei den Sofas an der vorderen Wand auf dem Fußboden, zwei weitere lagen flach ausgestreckt unter den Tischen. »Die haben viel zuviel Angst um ihr eigenes, kostbares Leben.«
    »Irgendeiner verletzt?«
    Van Effen schüttelte bedauernd den Kopf. »Der Teufel meint es gut mit den Seinen, Mister Nicolson.«
    »Schade.« Nicolson war bereits auf dem Weg quer durch die Messe zu der Tür an Backbordseite. »Das Schiff sinkt. Wir haben nicht mehr viel Zeit. Bringen Sie unsere Freunde hier nach oben – halten Sie sich dort zunächst im Gang. Und machen Sie die Windschutztüren nicht auf –« Nicolson brach plötzlich ab und verharrte im Schritt. Die hölzerne Klappe der Durchgabe von der Pantry war von einem Dutzend Einschüssen durchlöchert und zersplittert. Von der anderen Seite konnte er das schwache, zitternde Schluchzen eines kleine Kindes hören.
    Innerhalb von drei Sekunden war Nicolson aus der Messe und mühte sich mit der Klinke der Pantrytür ab. Die Klinke ließ sich herunterdrücken, doch die Tür ging nicht auf – möglicherweise abgeschlossen, noch wahrscheinlicher aber verbogen und verklemmt. Außen an der Kabine des Fünften Ingenieurs hing eine Feuerwehraxt an der Wand, und Nicolson schwang sie erbittert gegen das Schloß der Pantrytür. Beim dritten Schlag sprang das Schloß auf, und die Tür drehte sich kreischend in ihren Angeln.
    Das erste, was Nicolson undeutlich in sich aufnahm, war Rauch, Brandgeruch, ein Trümmerfeld zerschlagenen Geschirrs und ein geradezu überwältigender Whiskydunst. Die hereinströmende frische Luft zerteilte rasch den Dunst, und jetzt konnte er die beiden Krankenschwestern sehen, die fast unmittelbar vor seinen Füßen an Deck saßen: Lena, die junge Malaiin, deren dunkle Augen angstvoll geweitet waren, und neben ihr Miss Drachmann, das Gesicht blaß und erschöpft, aber beherrscht. Nicolson ließ sich neben ihr auf die Knie fallen.
    »Der Kleine?« fragte er mit rauher Stimme.
    »Machen Sie sich keine Sorge – der kleine Peter ist in Sicherheit.« Sie sah ihn mit ernstem Lächeln an und zog die schwere Metalltür des Warmhalteschranks, die schon einen Spalt geöffnet gewesen war, ganz auf. Darin lag das Kind, in eine dicke Decke gewickelt, und sah mit großen, ängstlichen Augen zu ihm heraus. Nicolson faßte mit der Hand hinein und fuhr ihm sanft durch das blonde Haar, dann stand er unvermittelt auf und entließ seinen Atem in einem langen Seufzer.
    »Dem Himmel sei Dank.« Er sah lächelnd zu dem Mädchen hinunter. »Und Ihnen gleichfalls, Miss Drachmann. Eine sehr schlaue Idee. Gehen Sie jetzt mit ihm nach draußen auf den Gang, ja? Hier drin kann man ja kaum atmen.« Er wandte sich zum Gehen, machte dann aber halt und starrte ungläubig auf das Bild vor seinen Füßen. Der junge Soldat Alex und der Moslem lagen Seite an Seite der Länge nach an Deck, beide offenbar bewußtlos. Farnholme, der den Kopf des Priesters untersucht hatte, war gerade dabei, sich wieder aufzurichten. Der Whiskygeruch, der von ihm ausging, war so stark, daß man hätte denken können, seine Kleider wären damit getränkt.
    »Was zum Teufel ist hier eigentlich los?« fragte Nicolson eisig. »Können Sie das Saufen nicht wenigstens einmal für fünf Minuten sein lassen, Farnholme?«
    »Sie sind ein halsstarriger junger Mann, junger Mann!« Die Stimme kam aus der hinteren Ecke der Pantry. »Sie sollten keine so voreiligen Schlüsse ziehen, besonders keine falschen.«
    Nicolson spähte durch die Dunkelheit. Da die Dynamos kaputt waren und das Licht nicht mehr brannte, lag die Pantry, die keine Fenster hatte, halb im Dunkeln. Er konnte eben noch den schmalen Umriß von Miss Plenderleith ausmachen, die mit sehr geradem Rücken vor dem Eisschrank saß. Ihr Kopf war über ihre Hände gebeugt, und das geschäftige Klicken der Nadeln schien unnatürlich laut. Nicolson starrte völlig fassungslos zu ihr hin.
    »Was machen Sie denn, da Miss Plenderleith?«
    »Ich stricke, was denn sonst. Haben Sie noch nie jemanden stricken sehen?«
    »Stricken«, murmelte Nicolson überwältigt. »Ich stricke, was denn sonst! Zwei Stück Zucker oder drei, Herr Vikar?«

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