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Die Überlebenden der Kerry Dancer

Die Überlebenden der Kerry Dancer

Titel: Die Überlebenden der Kerry Dancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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hinfiel, während er die Leiter zu erreichen suchte, die zu dem Laufsteg über Deck hinaufführte. Er schien betäubt zu sein und rieb sich dauernd mit dem Arm über die Augen, als könne er nicht richtig sehen. Doch er schaffte es, den Fuß der Leiter zu erreichen, an der er sich nach oben zog und dann, taumelnd und strauchelnd, den Laufsteg entlang auf die Brücke zugelaufen kam. Nicolson konnte ihn jetzt deutlich sehen – es war der Vollmatrose Jenkins, Richtkanonier des Flakgeschützes auf dem Vorschiff. Doch ein anderer hatte ihn gleichfalls gesehen, Nicolson konnte Jenkins nur noch eine verzweifelte Warnung zubrüllen, bevor er sich flach an Deck fallen ließ und mit geballten Fäusten auf die hämmernden Schläge detonierender Granaten hörte, mit denen die japanische Maschine, die sich aus ihrem kurzen, plötzlichen Sturzflug abgefangen hatte, das Deck des Vorschiffs von vorn bis zur Brücke beharkte.
    Diesmal stand Nicolson nicht auf. Hier im Ruderhaus aufzustehen, das war ihm klar, wäre mehr oder weniger Selbstmord gewesen. Es gab auch nur einen vernünftigen Grund, weshalb er jetzt hätte hochkommen sollen, und das war, um nachzusehen, wie es Jenkins ging. Doch um das zu wissen, dazu brauchte er nicht erst nach draußen zu sehen. Jenkins hätte abwarten und einen günstigen Augenblick abpassen sollen; aber vielleicht war er dazu nicht mehr klar genug gewesen. Oder vielleicht hatte er auch nur noch die Wahl gehabt, loszulaufen und draufzugehen, oder abzuwarten und zu verbrennen.
    Nicolson schüttelte den Kopf, kam mit dem Oberkörper hoch und sah sich in dem übel zugerichteten Ruderhaus um. Außer ihm befanden sich vier Leute darin – und eben noch waren es nur drei gewesen. McKinnon, der Bootsmann, war gerade in dem Augenblick angelangt, als die letzten Granaten im Innern der Brücke explodierten. Er lag mit dem Bauch auf der Schwelle der Tür zum Kartenraum, hatte den einen Ellbogen aufgestützt und sah sich vorsichtig um. Er war nicht verletzt, wollte aber erst die Lage peilen, ehe er sich von der Stelle rührte.
    »Nehmen Sie die Rübe runter!« riet ihm Nicolson dringend. »Wenn Sie aufstehen, ist sie weg.« Seine Stimme klang heiser, undeutlich und unwirklich, auch für ihn selbst.
    Evans, der Rudergänger, saß mit dem Rücken gegen das Ruder gelehnt und fluchte leise, flüssig und unablässig vor sich hin. Aus einem langen Riß auf seiner Stirn tropfte Blut auf seine Knie, doch er beachtete es nicht, sondern konzentrierte sich darauf, eine behelfsmäßige Bandage um seinen linken Unterarm zu legen. Wie schlimm es ihn erwischt hatte, konnte Nicolson nicht feststellen; doch jeder neue Streifen, den er von seinem Hemd herunterriß, war, kaum daß er den Arm berührte, hellrot und blutdurchtränkt.
    Vannier lag hinten in der Ecke auf dem Rücken. Nicolson kroch zu ihm hinüber und hob seinen Kopf vorsichtig in die Höhe. Der Vierte Offizier hatte eine Schramme und eine Quetschung an der Schläfe, schien aber sonst unversehrt; er war bewußtlos, doch sein Atem ging ruhig und gleichmäßig. Vorsichtig ließ Nicolson seinen Kopf wieder auf das Deck sinken und sah dann zu Findhorn hinüber. Der Kapitän saß auf der anderen Seite der Brücke, mit dem Rücken gegen das Schott, die Hände rechts und links auf das Deck gestützt, und sah zu ihm her. Sieht ein bißchen blaß aus, der Alte, dachte Nicolson; aber er ist schließlich nicht mehr der Jüngste, nicht mehr so ganz geeignet für eine Seefahrt unter diesen Bedingungen. Er deutete auf Vannier.
    »Nur k.o. Sir. Hat genau solches Schwein gehabt wie wir auch. Alle noch am Leben, wenn auch nicht gerade übermütig vor Wohlbehagen.« Nicolson versuchte, munterer zu sprechen, als ihm zu Mute war. Er hatte seinen Satz noch nicht beendet, als er sah, wie sich Findhorn vorbeugte, um aufzustehen; dabei preßte er die Hände auf den Boden, daß seine Fingernägel weiß wurden. »Sachte, Sir!« rief Nicolson laut. »Bleiben Sie, wo Sie sind. Da draußen lungern ein paar Burschen herum, die nur darauf warten, daß sich jemand zeigt.«
    Findhorn nickte, entspannte sich, lehnte sich wieder mit dem Rücken hinten gegen das Schott und schloß kurz die Augen. Er sagte nichts. Nicolson sah ihn mit plötzlicher Sorge an. »Sind Sie in Ordnung, Sir?«
    Findhorn nickte nochmals und setzte zum Sprechen an. Doch es kamen keine Worte, nur ein sonderbares, rasselndes Husten, und plötzlich standen auf seinen Lippen helle Blutblasen, Blut rann das Kinn hinunter und tropfte

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