Die Ueberlebenden von Mogadischu
Entführungs-Stoff. Der Filmproduzent Artur »Atze« Brauner arbeitet bereits im Jahr nach dem Ereignis an einem Filmprojekt mit dem Arbeitstitel Airport ’ 78. Aus der Idee wird allerdings nichts.
Die Neue Revue berichtet von einem Urlaub, den sechs der Schönheitsköniginnen aus der entführten »Landshut« im Mai 1978 auf Mallorca machten. »Sechs Schönheitsköniginnen feierten auf Mallorca ihr neues Leben«, lautet die Schlagzeile des Artikels. Ein kleines Foto zeigt fünf der sechs Frauen beim Ausstieg am 18. Oktober 1977 in Frankfurt, ein großes Bild alle sechs, darunter Jutta Brod, Diana Müll, Dorothea Selter und Beate Zerbst auf einem Motorboot vor Mallorcas Küste. Manfred Rieck, Betreiber der Diskothek »Graf Zeppelin«, beherbergt die Schönheitsköniginnen sechs Monate nach ihrer Entführung wieder auf der Insel, von der aus das Drama seinen Lauf genommen hatte.
117 Die Initiative ging von Manfred, dem Besitzer der Diskothek, aus, in der wir den Schönheitswettbewerb gewonnen hatten. Er hat alles bezahlt, den Flug, die Unterkunft, alles. Er konnte jetzt mit unserer Bekanntheit werben. Überall in der Stadt hat er Plakate hängen lassen, auf dem zu lesen war, dass die »Schönheitsköniginnen von Mogadischu« zurück seien. Natürlich war die Diskothek an den Abenden, als wir dort waren, proppenvoll. Das hat sich für ihn gerechnet.
Sie und die anderen »Königinnen« gingen dann wieder über den Laufsteg?
Nein, das darf man sich nicht so vorstellen wie bei einer Miss-Wahl heute. Schönheitswettbewerbe waren damals ein Ferienspaß, eine Gaudi. Wir trugen Bikinis und machten irgendwelche Spiele. Wir tanzten im Hula-Hoop-Reifen vor. Für uns alle war es ein Spaß, aber irgendwo wollten wir auch gewinnen. Der Gewinn war ja wieder eine Woche Gratis-Urlaub.
Sie gehörten zu den »Schönheitsköniginnen aus Mogadischu« ...
Ich glaube, keine von uns Mädels fand das besonders prickelnd. Aber wir haben gesagt: Jetzt sind wir hier, und wir machen unser Ding. Für mich war das immer noch ein Traumurlaub. Manfred hat uns mit dem Motorboot durch die Gegend gefahren. Wir konnten Wasserski fahren. In der Disco hatten wir einen Schlüssel für die Getränkekammer, dort haben wir uns die Sektflaschen selbst geholt. Dabei war alles gratis, Hotel, Ausflüge, Essen, Getränke. Manfred war schon sehr großzügig.
(Beate Keller, ehem. Zerbst, 2011 )
Die Großzügigkeit von Manfred Rieck hatte auch nach dem Frühjahr 1978 noch kein Ende: Für den Oktober 1978 lud er die Schönheitsköniginnen wieder nach Mallorca ein, und sie kamen auch. 117
118 Wir sind neunzig brave Steuerzahler
Hannelore Brauchart im Gespräch mit Ebbo Demant ( 1980 )
Wissen Sie, ich bin eigentlich sehr hilflos vor dieser Situation gestanden. Man kann da nichts tun. Ich wusste, andere bestimmen jetzt, ob ich weiterleben darf oder ob ich sterben muss. Ich hab mir vor Augen gehalten, ich habe ein Testament, alles ist geregelt, aber letztlich war mir das vollkommen egal, wer da was erbt oder ob ich das jetzt geordnet verlasse. Ich wollte die Welt nicht verlassen, ich wollte weiterleben, ganz simpel weiterleben. Ich wusste aber, dass mir zum ersten Mal in meinem Leben mein eigener Wille nicht mehr helfen kann. Die Situation war zu offensichtlich, und ich bin mir fürchterlich allein und verlassen vorgekommen. Und ich hatte Angst und ich war voller Hass und ich konnte auch nicht beten, denn in meinen Augen, ich weiß nicht, wie ich das sagen soll, aber wer bringt uns um? Wer würde uns jetzt wirklich umbringen? Die, die uns in die Luft sprengen oder diejenigen, die uns nicht rausholen? Wir hatten bis dato noch nichts von der Regierung gehört, noch nicht einmal irgendeine Floskel, noch nicht einmal: »Kinder wir kümmern uns, seid ruhig, wir kommen, wir tun etwas, wir machen, was wir können.« Nichts. Und diese Gedanken, die waren ganz einfach da. Ich hab mir gedacht, nur weil die jetzt, die paar Terroristen, die für mich persönlich, für uns alle, für uns alle, die wir da waren, nichts bedeutet hätten, die hätten’s auf uns nicht abgesehen gehabt. Die werden nicht freigelassen. Warum werden die nicht freigelassen? Wir sind neunzig brave Steuerzahler, Wählerstimmen, ich weiß nicht, wie man das definieren soll. Wir werden nicht freigelassen, weil die diese Terroristen bei sich in den Gefängnissen behalten wollen, und wir werden jetzt sterben müssen. Wir, deswegen. Deswegen, nur weil die sie nicht freilassen wollen. Ich
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