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Die Ueberlebenden von Mogadischu

Titel: Die Ueberlebenden von Mogadischu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Rupps
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weitere Verhalten der Frauen und Männer aus der »Landshut« nicht nachvollziehbar. Männer, die in Krieg und in Gefangenschaft waren, haben ihre eigene Sicht auf eine Gefangenschaft in einem Flugzeug, die obendrein keine bleibenden körperlichen Verletzungen zur Folge hatte.
    Helmut Schmidt hat nach dem Oktober 1977 vielfach in eigenen Büchern und in Fernsehdokumentationen Auskunft über seine Entscheidungssituation von damals gegeben, so im Zweiteiler Todesspiel von Heinrich Breloer. Schmidts Credo lautet, dass die drei Ziele eines Bundeskanzlers in der damaligen Situation – Festnahme der Entführer, Befreiung von Hanns Martin Schleyer, Handlungsfähigkeit des Staates zeigen – »kaum zugleich zu errei 136 chen sind, [. . . ] dass die Erfüllung jedes einzelnen dieser drei Orientierungspunkte nach menschlicher Voraussicht die Erfüllung der übrigen Maximen einschränken oder gar gefährden musste«. Für den Handlungsspielraum, den Helmut Schmidt mit Blick auf die entführte »Landshut« sah, war das nicht anders.
    Als der Filmemacher Ebbo Demant den damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt fragte, ob er an einer Produktion mitwirken wolle, in der frühere »Landshut«-Geiseln interviewt würden, lehnte er ab. Möglicherweise wollte er seine Position nicht im Zusammenhang mit Stellungnahmen von Menschen, die von seiner Haltung einmal existenziell betroffen waren, äußern.
    Viele Frauen und Männer der Bonner Politik zeihen die »Landshut«-Opfer jetzt der Wehleidigkeit und des Undanks gegenüber der Politik. Diese Frauen und Männer sind dabei nicht nur Kinder ihrer Generation, sie stehen auch für den Geist der Zeit (den sie an verantwortlichen Stellen maßgeblich mitprägen), für ein technokratisches, psychologische Kategorien aussparendes Denken. Die Bundesrepublik Mitte der siebziger Jahre ist noch nicht die Bundesrepublik Mitte der achtziger Jahre. Wirtschaftlicher und technischer Fortschrittsglaube sind ungebrochen, die neuen sozialen Bewegungen stecken noch in den Kinderschuhen. Politische Fragen gelten als Machbarkeitsfragen. Materieller Wohlstand und ein starker Staat sorgen für politische Zufriedenheit.
    In der Dokumentation 106 Stunden. Zwischen Palma und Mogadischu. Die »Landshut«-Geiseln heute sprechen Ruprecht Eser und Wolfgang Salewski mit ehemaligen Geiseln, darunter Horst Gregorio Canellas und seine Tochter, Hans Hasse-Heyn und Ernö Kiraly. Wie geht es ihnen gesundheitlich, welche Erfahrungen machen sie mit Behörden, weshalb scheinen sie, wie der Journalist Horst Danker im Mai 1978 in der Zeitschrift ZDF -Journal behauptet, in der Öffentlichkeit »inzwischen weitgehend vergessen«? An die Bundesregierung richtet sich der Vorwurf, sich nicht mehr um die Menschen aus der »Landshut« zu kümmern. 136

    Abb.   8 : Der frühere Staatsminister im Kanzleramt und Verhandlungsführer der Bundesregierung während der »Landshut«-Entführung trifft die frühere Geisel Beate Zerbst (heute Keller). Wischnewski hat sich mehr als andere Politiker um ein Verständnis der Nöte von Geiseln bemüht. 137

      138 Der Bundesregierung bleibt die Arbeit an der Fernsehdokumentation und der Tenor, mit dem sie im Abendprogramm des ZDF laufen wird, nicht verborgen. Vier Tage vor dem Ausstrahlungstermin schreibt Staatsminister Hans-Jürgen Wischnewski allen befreiten Geiseln einen Brief. »Kurz vor dem Rückflug von Mogadischu nach Hause habe ich die meisten von Ihnen zum letzten Mal gesehen. Die Bundesregierung und die Deutsche Lufthansa haben in der Zwischenzeit versucht, dazu beizutragen, die materiellen und gesundheitlichen Schäden, die Ihnen durch die Entführung der ›Landshut‹ entstanden sind, zu beheben oder zu lindern. [. . . ] Nachdem Sie die Ereignisse von damals vielleicht mit etwas mehr Abstand sehen können, liegt der Bundesregierung daran, ein Gespräch mit Ihnen zu führen. Wir müssen Ihre bitteren Erfahrungen nutzen [. . . ].«
    Die ZDF -Dokumentation von Ruprecht Eser und Wolfgang Salewski wird am 30.   Mai 1978 , 21 . 20 Uhr, gesendet. Schon am Morgen dieses Tages steht in den Zeitungen, Staatsminister Wischnewski habe die ehemaligen Geiseln zu einem Treffen eingeladen.
    Vertreter von Bundestag, Bundesregierung und Lufthansa kommen am 24.   und 25.   Juni 1978 mit »Landshut«-Opfern im Hotel »Bristol« in Bonn zusammen. Von den 82 Passagieren der »Landshut« sind 66 angereist, nicht nur aus Deutschland, auch aus anderen Ländern. Einschließlich »Landshut«-Crew und

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