Die Ueberlebenden von Mogadischu
mitgereisten Angehörigen sind 74 Frauen und Männer Gäste von Bundesregierung und Lufthansa.
Die Teilnehmer machen zunächst eine Schiffsfahrt auf dem Rhein, wo sie von Staatsminister Hans-Jürgen Wischnewski begrüßt werden und Gelegenheit zu Einzelgesprächen haben. Am Abend folgt ein Essen im Bundeskanzleramt und am nächsten Tag ein Abschlussgespräch im Hotel.
Ziel des Treffens ist eine umfassende Information der »Landshut«-Opfer über Fragen von Schmerzensgeld und therapeutischer Behandlung (siehe die folgenden Kapitel). Inoffiziell soll es den Betroffenen Gelegenheit geben, die aufgestaute Wut und den Ärger über 139 das, wie sie es empfinden, unzulängliche Verhalten von Bundesregierung und Lufthansa ausdrücken zu können.
Am 27. Juni 1978 schreibt die Süddeutsche Zeitung über die »Mogadischu-Geiseln« in Bonn. Der Autor Hartmut Palmer zitiert Hans-Jürgen Wischnewski mit den Worten: »Es wäre besser gewesen, diese Gespräche hätten eher stattgefunden.« Und: »Wir haben viel dabei gelernt.« Die meisten Fälle, schreibt Hartmut Palmer, seien, wie der Staatsminister sich vergewissert habe, inzwischen schon bereinigt.
Eine interne Notiz der Deutschen Lufthansa fasst zusammen, wie die früheren Geiseln über die Fluggesellschaft denken. Bei der überwiegenden Mehrzahl der »Insassen«, wie die Opfer in der Notiz genannt werden, stehe die Deutsche Lufthansa im positiven Licht; die materiellen Forderungen der Mehrzahl der Passagiere seien zur Zufriedenheit abgeschlossen worden. Kritisch räumt der Vermerk ein, die »Insassen« der »Landshut« hätten sich von der Fluggesellschaft eine »großzügige Geste« erwartet, »dies insbesondere unter dem Aspekt, dass von vielen unbeteiligten Dritten großzügige Hilfsangebote gemacht wurden«. Weiter heißt es, von der Bundesregierung hätten viele eine pauschale Abgeltung durch eine Art »Schmerzensgeld« erwartet.
Die interne Notiz schließt mit dem Vorschlag, dass die Deutsche Lufthansa die erwartete »großzügige Geste« nachholt und zum Beispiel allen »Landshut«-Passagieren und ihren Angehörigen jeweils einen Europaflug schenkt. Die Kosten für Auslandsurlaube sollen von der Bundesregierung übernommen werden.
Aus dieser Idee, die Vertreter von Bundesregierung und Lufthansa bei dem Bonner Treffen entwickelt haben, wird nichts. Der Grund dafür geht aus den Akten nicht hervor. Möglicherweise haben die Verfechter dieses Gedankens in ihren jeweiligen Häusern, im politischen Bonn und bei der Deutschen Lufthansa, keine Verbündeten dafür gefunden.
Andere Initiativen sorgen dafür, dass ehemalige Geiseln zu einem Erholungsurlaub kommen: Der Heimat- und Verkehrsverein 140 Datterode in Ringau-Datterode stellt den Betroffenen zehn Urlaubsplätze für jeweils 14 Tage zur Verfügung. Auch das österreichische Bundesland Kärnten lädt sie und ihre Angehörigen zu jeweils zwei Wochen Ferien in einem Hotel der Region ein. Von diesem Angebot machen viele Gebrauch, so auch das Ehepaar Edelgard und Everhard Wolf. Zwischen dem 15. und 29. September 1978 wohnen sie im Hotel »Kürschner« in Kötschach. Der Fremdenverkehrsverein Kötschach-Mauthen-Plöckenpass organisiert während dieser zwei Wochen ein Begleitprogramm mit Sightseeing-Tour, Platzkonzert, buntem Abend und einem Kurs für Bauernmalerei.
Für die Einladung gibt es durchaus eigennützige Motive: An einem Abend ist eine »Promotion-Veranstaltung des Landesfremdenverkehrsamtes für Kärnten« angesetzt. Die »Mogadischu-Gäste«, wie sie im Programm heißen, sollen wiederkommen! Und doch gehen die Dauer des Gratis-Urlaubs und der Aufwand, der für ein Begleitprogramm gemacht wird, über den Charakter einer Werbeveranstaltung hinaus. Die Österreicher sind offenkundig bemüht, den Frauen und Männern aus der »Landshut« knapp ein Jahr nach ihrer Befreiung ein paar schöne Tage zu bereiten.
Die Anbieter von Kuraufenthalten wenden sich an die Deutsche Lufthansa, weil nur ihr die Passagierliste der entführten »Landshut« vorliegt. Über die Lufthansa werden insgesamt 24 frühere Geiseln an Anbieter von Gratis-Urlauben vermittelt.
Die Kinder, die in der entführten »Landshut« saßen, haben solche schönen Tage zu dieser Zeit schon gehabt – wenn ihre Eltern es denn wollten. Die »Ponyfarm Hassloch« bei Ludwigshafen lud sie Anfang November über die Deutsche Lufthansa zu einem Urlaub auf der Farm ein.
Nicht zu vergessen die Fahrräder, die Bundeskanzler Helmut Schmidt persönlich
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