Die Ueberlebenden von Mogadischu
den Kindern aus der entführten »Landshut« schicken ließ. Gaby Coldewey, die zum Zeitpunkt der Entführung acht Jahre alt war, bekam bereits wenige Wochen nach ihrer Befreiung, am 28 . Oktober 1977 , einen Brief des Regierungschefs: 141 »Offensichtlich aus Freude über die gelungene Befreiungsaktion auf dem Flughafen von Mogadischu«, heißt es darin, »hat mir ein Mitbürger einen Scheck übersandt. Der Gegenwert reicht aus, den Kindern, die in der entführten Lufthansa-Maschine waren, eine kleine Freude zu bereiten. So wird auch an Dich in den nächsten Tagen ein Paket abgesandt, dessen Inhalt Dir hoffentlich Spaß macht und ein kleines ›Trostpflaster‹ für die schlimmen Tage im Flugzeug sein soll.« Per Post traf ein rotes Kinderfahrrad ein, das rasch den Spitznamen »Mogadischu-Fahrrad« erhielt.
»Da hatte jemand nicht mitgedacht«, sagt Gaby Coldewey heute über die gutgemeinte, aber offenbar mit den Eltern der betroffenen Kinder nicht abgestimmte Geste. »Mit knapp neun Jahren hat man natürlich ein Fahrrad, und das zweite stand dann nur herum.« Schon 1977 war die Freude über das Geschenk des Kanzlers begrenzt: »Mein altes fuhr einfach besser und war schön blau. Rot mochte ich noch nie.« Damals wie heute ist sie der Meinung, die Urheber der Aktion im Kanzleramt hätten mit den Eltern sprechen sollen, bevor sie versuchten, den wenigen Kindern aus der »Landshut« eine Freude zu machen. 141
142 Helmut Schmidt: Kein Schmerzensgeld!
Die Befreiung kommt teuer.
Die deutsche Bundesregierung weiß sich den beiden Regierungen, die sie bei der GSG - 9 -Aktion unterstützt haben, verpflichtet. Sie zeigt sich für deren Hilfe erkenntlich.
Die britische Regierung unter Führung von James Callaghan hatte der Truppe von Ulrich Wegener Personen und Material zur Verfügung gestellt. Am Vormittag des 18. Oktober 1977 kommt James Callaghan zu einem offiziellen Besuch nach Bonn. Es handelt sich um einen länger geplanten Termin, der wegen der Entführung Hanns Martin Schleyers schon einmal verschoben worden war. Bundeskanzler Helmut Schmidt und Premierminister James Callaghan haben unverhofft gemeinsamen Grund zur Freude, denn die »Operation Feuerzauber« am Horn von Afrika war eine deutsch-britische Gemeinschaftsleistung.
Wohl nicht zufällig melden die Nachrichten mittags, die deutsche Bundesregierung unterstütze den Vorschlag der britischen Regierung, eine europaweit geförderte Kernfusionsanlage in Culham zu bauen. Den eigenen Standortvorschlag Garching bei München, auf dem Gelände des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik, zieht sie zurück. Das bedeutet den Verzicht auf eine Milliardeninvestition.
Die Absprache zwischen Deutschen und Briten ist eine Absprache unter politischen Partnern und – was Helmut Schmidt und James Callaghan angeht – persönlichen Freunden. Der Dank gegenüber einem Polizeistaats-Regime, wie es Präsident Siad Barre in Somalia führt, muss komplizierter ausfallen.
Am 17. Oktober 1977 , als unerwartet die entführte Lufthansa-Maschine den Flughafen der Hauptstadt ansteuert, hat sich Siad Barre schon von der Sowjetunion als politischem Verbündeten losgesagt. Er hofft durch eine Annäherung an den Westen auf mehr Geld und mehr Entwicklung für das arme Land. Aber dieser Prozess der Neuorientierung ist erst seit wenigen Monaten im Gang. 143 Ärzte aus Italien und Polizisten aus Deutschland sind nach Somalia gekommen, um medizinische Hilfe zu leisten und für innere Sicherheit zu sorgen. Von einer politischen Zusammenarbeit oder gar einer Freundschaft kann noch keine Rede sein.
Das Misstrauen gegenüber den Deutschen, die der entführten Passagiermaschine hinterhergeflogen sind, ist groß. Die Begleitpersonen von Staatsminister Hans-Jürgen Wischnewski, der an diesem 17. Oktober mit Präsident Siad Barre über die Krise verhandeln möchte, müssen als Erstes ihre Pässe abgeben. Zunächst darf auch nur Hans-Jürgen Wischnewski die Maschine der Deutschen verlassen. Mit Freunden geht man anders um.
Hans-Jürgen Wischnewskis Gespräche hatten zum Ziel, dass die somalische Regierung eine deutsche Eingreiftruppe auf ihrem Territorium operieren lässt. Er dürfte bei Siad Barre alle Register seines diplomatischen Könnens gezogen haben, und dieses Können war beträchtlich. Dazu gehörte zweifellos auch, dass er ihm einen Dank der Bundesregierung für sein Entgegenkommen in Aussicht stellte.
Doch wie offen reden die beiden Herren wirklich miteinander? Sie schließen
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