Die Ueberlebenden von Mogadischu
kommen, um dem Bürgerkrieg, in den sein Land geraten war, zu entfliehen. Ahmed Dahir war seinerzeit Leiter der somalischen Flugsicherung. In dieser Funktion kontrollierte er am 17. Oktober 148 1977 den Funkverkehr zwischen den Entführern der »Landshut« und dem Tower des Flughafens Mogadischu. Für dieses Verdienst, so erzählt Ahmed Dahir 2008 der Münsterländischen Volkszeitung , bietet ihm Staatsminister Hans-Jürgen Wischnweski schon am Ort ein Leben und Auskommen in der Bundesrepublik Deutschland an. Ahmed Dahir schlägt die Offerte zunächst aus. Später bekommt er von Hans-Jürgen Wischnewski einen Brief, in dem dieser Ahmed Dahirs Leistung zur Befreiung der 86 Geiseln festhält. 1991 reist Ahmed Dahir mit seiner Familie in die Bundesrepublik Deutschland aus. Er hat Mühe, beruflich Fuß zu fassen, seine somalischen Lizenzen werden hier nicht anerkannt. Zeitweise lebt er von Hartz IV .
Am 27. Dezember 1977 setzt sich die ehemalige Geisel Everhard Wolf aus Kempen an seine Schreibmaschine und tippt einen Brief im eigenen Namen und dem seiner Frau Edelgard. Adressat ist die »Lufthansa, Abteilung Kundenbeziehungen, Köln«.
»Wir waren beide Mitinsassen des am 13. Oktober 1977 entführten Flugzeuges der Lufthansa ›Landshut‹, Flug LH 181. Aus Anlass dieser Entführung und der hierdurch erlittenen körperlichen und seelischen Schäden wenden wir uns hiermit an Sie. [. . . ] Durch die Entführungsaktion haben wir beide erhebliche gesundheitliche Schäden davongetragen.«
Everhard Wolf, 66 Jahre alt, berichtet, seit Herbst 1976 an einer Herz- und Kreislauferkrankung mit Arterienverengungen am linken Bein zu leiden. Eine zwischen dem 28. April und 4. Juni 1977 absolvierte Kur zeigt »vollen Erfolg«, so dass eine Operation am linken Bein nicht notwendig wird und Everhard Wolf auch wieder besser gehen kann. In der entführten »Landshut« hatte er jedoch keinen Zugriff auf seine Kreislauf- und Durchblutungsmittel. Wegen seiner gesundheitlichen Vorbelastung und der schwierigen klimatischen Verhältnisse an Bord überkamen ihn Phasen der Verwirrtheit, und er erlitt zweimal einen Kreislaufkollaps. Beim zweiten Mal benötigte man ein Sauerstoffgerät, um ihn wieder zu Bewusstsein zu bringen.
149 Mit den 106 Stunden in der »Landshut«, so ist Everhard Wolf überzeugt, sei der gesamte Kur- und Erholungsaufwand »im Endeffekt nutzlos« gewesen. Kur und Erholungsmaßnahme müssen, was ein Arzt attestiert, wiederholt werden.
Weiter schreibt Everhard Wolf, seine Frau habe durch eine explodierende Handgranate eine Brandverletzung am linken Unterschenkel davongetragen. Sie leide »an einer bisher nicht vorhandenen Nervosität und insbesondere an erheblichen Schlafstörungen, die sich in Angstträumen und schreckhaften Erwachungszuständen äußern«. Deshalb bedürfe auch die Unterzeichnerin einer Heilbehandlungsmaßnahme in der Form einer ärztlich überwachten Kur. Auf das Attest eines Arztes wird verwiesen.
Everhard Wolf und seine Frau haben Anträge auf Kurversorgung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten gestellt, doch über diese Anträge ist noch nicht entschieden. »Aus diesem Grunde wenden wir uns an Sie mit der Bitte, zunächst einmal für diesen notwendigen Kuraufenthalt unverzüglich einzutreten [. . . ]. Des Weiteren sind wir der Meinung, dass wir angesichts der im Zusammenhang mit der Entführung erlittenen gesundheitlichen und seelischen Beeinträchtigungen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung haben. [. . . ] Wir wollen hier zunächst nicht unbedingt einen Rechtsanspruch geltend machen, wiewohl es uns von unserem laienhaften Standpunkt nicht einleuchten will, dass in der damaligen zugespitzten Situation bei einer völlig fehlenden Abflugkontrolle die Passagiere dieser Entführungsgefahr ausgesetzt werden konnten. Wir halten es aber für eine Frage der selbstverständlichen Kulanz, dass auch ohne eine solche Rechtspflicht in unserem besonders schwerwiegenden Falle eine angemessene Entschädigung für die erlittenen gesundheitlichen und psychischen Beeinträchtigungen erfolgt.«
Am 23. Januar 1978 tippt Matthias Rath aus Rheine auf seiner Schreibmaschine einen Brief an »Flugkapitän Werner Utter, Mitglied des Vorstandes der Deutschen Lufthansa AG , Lufthansa Basis, 6000 Frankfurt/Main, Flughafen«. Matthias Rath antwortet 150 auf den schon zitierten Brief von Werner Utter an die »Landshut«-Passagiere vom Dezember 1977. »Leider komme
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