Die Ueberlebenden von Mogadischu
Passagieren in der »Landshut«. Er begleitete Hans-Jürgen Wischnewski nach Mogadischu und wirkte an der Hinhaltetaktik der Bundesregierung gegenüber den Entführern mit.
Freundlich im Ton, aber auf raschen Vollzug drängend, führen Andreas Ploeger und Wolfgang Salewski unabhängig voneinander ihre Reihenbefragungen durch. Die Erinnerung an die Ereignisse soll frisch und authentisch sein, um sie für die wissenschaftliche Forschung nutzbar zu machen, und der Forschungszweck kann nur erreicht werden, wenn möglichst viele der Betroffenen Auskunft geben. Bereits am 8. Februar 1978 verschickt Andreas Ploeger einen zweiten Rundbrief mit einer vorläufigen Zwischen 167 bilanz. Er hat 65 Passagiere und Crew-Mitglieder kontaktiert, 44 haben geantwortet. Nur fünf der Angeschriebenen hätten ein Gespräch abgelehnt, so Andreas Ploeger in seinem Brief, der wie der erste – der Absender redet von sich als dem Unterzeichnenden – in einem bürokratischen Sprachstil gehalten ist. Diejenigen, die auf seinen ersten Brief nicht geantwortet haben, erinnert er an die Rückmeldung, zur Bekräftigung seines quasioffiziösen Anliegens legt er eine Kopie des Schreibens der Bundesregierung bei.
Schon gut zwei Wochen später, am 24. Februar, muss Andreas Ploeger allerdings selbst das Tempo drosseln. Mittlerweile hat er, wie er in einem weiteren Brief an die Geiseln mitteilt, ca. 20 Gespräche durchgeführt. Da er und sein Team aber inzwischen 45 bis 50 Rückantworten erhalten hätten, sei es ihm nicht möglich, jede zu befragende Person kurzfristig aufzusuchen. Er geht davon aus, dass die letzten Gespräche bis Mitte März abgeschlossen sein werden.
Wolfgang Salewski kann am 10. März 1978 mitteilen, dass er etwa 40 Gespräche mit Passagieren und Crew der »Landshut« durchgeführt und dabei den Eindruck gewonnen habe, dass sich viele der Geiseln in ihrer derzeitigen Situation alleingelassen fühlten. Deshalb bestehe ein starkes Bedürfnis, mit anderen Betroffenen zusammenzukommen, um sich mit ihnen über das gemeinsam Erlebte und die hinterher aufgetretenen Schwierigkeiten auszutauschen. Eine kleine Gruppe habe auch den Wunsch nach einer kurzen psychotherapeutischen Betreuung geäußert.
Andreas Ploeger und Wolfgang Salewski verschaffen sich ein umfassendes Bild vom gesundheitlichen Zustand der Geiselopfer einschließlich ihrer seelischen Leiden. Andreas Ploeger und sein Team konnten 46 befreite Geiseln interviewen, Wolfgang Salewski und die Mitarbeiter seines Instituts über 40 .
Im Nachlass der früheren Geisel Matthias Rath befindet sich die Kopie eines 54 Seiten umfassenden Gesprächsprotokolls, das Andreas Ploeger nach seiner Begegnung mit Matthias Rath gefer 168 tigt hat. Einige Auszüge seien hier mitgeteilt (Zitate nicht sprachlich korrigiert):
Auf Ploegers Frage nach Grübeln antwortet Rath: »Ja, ja [Ploeger vermerkt, die Antwort scheine nicht sehr überzeugend, fast als sei sie durch Suggestion entstanden; Anm. d. Verf]. [. . . ] Vielleicht ist also das Gewicht, gesellig zu sein, nicht mehr so von Bedeutung, wie das vorher war. Ich bin also jetzt lieber mehr für mich alleine. Ich möchte auch dann lesen und so, mich mit mir selbst beschäftigen.«
Auf die Frage nach eventuellen weiteren Veränderungen seiner Wesensart lautet Raths Antwort »Nein. [. . . ]«
Ploeger fragt, ob es sein könne, dass nun, nachdem die Sache trotz aller Risiken gut ausgegangen sei, Rath dieses Erlebnis in seiner Lebensgeschichte nicht missen wolle, weil davon vielleicht auch irgendeine positive Auswirkung auf ihn ausgehe. Rath: »Im Moment würde ich noch sagen, kann ich ganz gut darauf verzichten.«
Die Frage nach einer Änderung des Appetits beantwortet Rath mit: »Gleich geblieben. Das war aber auch vorher schon portioniert wegen des Diabetes.«
Ploeger fragt, ob Verdauungsstörungen aufgetreten seien. Antwort: »Nein.«
Ploeger fragt nach Hypermnesien, also nach besonderer Erinnerungsfähigkeit. Antwort: »Ja, also ich würde da uneingeschränkt sagen, diese Geschichte mit dem Schumann. Das ist also sehr klar in seinem ganzen Ablauf. Bis auf die Frage, was da gesagt worden ist, das habe ich auch nicht gehört. Nur immer diese Bewegungen, dass er [Schumann; Anm. d. Verf.] etwas erklären will und er [Mahmud; Anm. d. Verf.] sagt: Shut up. Was ist das usw. Das sehe ich also vor mir und wie er auch dann so nach vorne fällt, das sehe ich also ganz deutlich, das habe ich sehr klar vor Augen. [. . . ]«
Auf die Frage
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