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Die Ueberlebenden von Mogadischu

Titel: Die Ueberlebenden von Mogadischu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Rupps
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nach Merkschwäche antwortet Rath: »Ja, ja, ja. Aber im Grunde genommen das gehört auch mit zu den Schwächen, die jetzt bei der Berufsausübung zu vermerken sind, Kon 169 zentrationsschwäche, es hört auf, dann kommen irgendwelche anderen Gedanken. Es geht nicht mehr. Gelegentlich muss ich auch schon mal die Augen zumachen, weil das ein bisschen flimmert vor den Augen, wenn es intensiv gewesen ist. [. . . ]«
    Auf Ploegers Frage nach Affektinkontinenz antwortet Rath: »Ja, da merke ich eine Verstärkung. Meine Mutter ist verstorben mit 92 Jahren vor 14 Tagen und da habe ich doch sehr deutlich gemerkt, dass das am Grabe sehr deutlich war. [. . . ]«
    Andreas Ploeger bleibt während des gesamten Prozesses der Mann der Wissenschaft und der klinischen Arbeit, professionell und distanziert. In einem Brief dankt er den Frauen und Männern, die zu einem Gespräch bereit waren. Darin gibt er auch seiner Hoffnung Ausdruck, dass er und seine Mitarbeiter durch ihren Besuch den Tageslauf der Befragten nicht zu sehr gestört und die ausführlichen Befragungen zu den Erlebnissen und zu den Pro­blemen, damit fertig zu werden, nicht zu erneuten Belastungen geführt haben mögen. Die Angaben seien für das Untersuchungsanliegen von ganz besonderem Wert.
    Wolfgang Salewski sucht und gewinnt die Nähe, das persönliche Vertrauen von Betroffenen. Dank dieses Vertrauens sind einige frühere Geiseln zur Mitwirkung an der ZDF -Dokumentation 106 Stunden zwischen Palma und Mogadischu. Die »Landshut«-Passagiere heute im Frühjahr 1978 bereit, als sich wegen der zeitlichen Nähe zum Ereignis nicht einmal die Deutsche Lufthansa beteiligt. Wolfgang Salewski ist es auch, der früh ein Gesprächsforum für die Opfer schaffen will. Er denkt an kleine Gruppen in Großstädten wie Berlin, Hamburg oder im Raum Frankfurt, die sich regelmäßig zum Erfahrungsaustausch treffen. Bei einer brieflichen Abfrage zeigt sich, dass die früheren Geiseln kein Interesse an solchen Gruppen haben.
    Allerdings gibt es, wie eine Mitarbeiterin des Instituts für Konfliktforschung und Krisenberatung im April an die Betroffenen schreibt, das Interesse an einer größeren zentralen Gruppe. Sofern ausreichende Nachfrage bestehe, seien Herr Salewski und einer 170 seiner Mitarbeiter bereit, sich mit einer solchen Gruppe an dem Wochenende vom 20.   bis 21.   Mai im Raum Kassel zu treffen. Bei dieser Zusammenkunft bestehe die Gelegenheit, sowohl in Gruppen- als auch in Einzelgesprächen über die Dinge zu diskutieren, welche die Betroffenen noch besonders beschäftigten. Kosten für Übernachtung, Verpflegung, Anreise und eventuell ein geringer Betrag für die Raummiete müssten von den Teilnehmern selbst übernommen werden.
    Aus dieser Initiative scheint nichts geworden zu sein – es gibt keine Unterlagen darüber, und auch die befragten ehemaligen Geiseln erinnern sich nicht daran.
    Andreas Ploeger und Wolfgang Salewski schließen ihre jeweils getrennten Befragungen im Frühjahr 1978 ab. Beide wissen, dass die »Landshut«-Geiseln nicht nur authentische Gesprächspartner für ihr jeweiliges Forschungsinteresse waren, sondern selbst Hilfe brauchen. Jetzt, mit etwas zeitlichem Abstand, zeigen sich die psychischen Folgen der qualvollen 106 Stunden in der »Landshut«. Allerdings scheitert, wie schon erwähnt, die kleine Lösung, wie sie dem Psychologen Wolfgang Salewski vorschwebt, die Gründung von Selbsthilfegruppen. Solche Gruppen setzen die Fähigkeit zur Selbsthilfe voraus, wozu die meisten Betroffenen offenbar noch nicht in der Lage sind.
    Es ist Andreas Ploeger, der Klinikarzt, der jetzt die Initiative ergreift und der Bundesregierung einen Vorschlag macht: Er unternimmt mit den Opfern eine therapeutische Maßnahme, die den Betroffenen von den Versorgungsämtern der Länder bezahlt wird. Er selbst erhält sein Honorar von der Bundesregierung. Im Gegenzug lässt Andreas Ploeger die Bundesregierung an seinen Forschungsergebnissen teilhaben, indem er ihr einen Bericht über die psychischen Folgen der Flugzeugentführung schreibt. Es vergehen Monate, bis die Idee geprüft ist. Kann das Opferentschädigungsgesetz darauf Anwendung finden? Welche Behörde bezahlt den Therapeuten? »Professor Ploeger hat uns in der Therapie erzählt, dass er ganz, ganz große Schwierigkeiten hatte, überhaupt die 171 Genehmigung zu kriegen«, erzählt Gabriele von Lutzau der Journalistin Rosvita Krausz im Januar 1979 .
    Die Bundesregierung nimmt den Vorschlag schließlich an. Am 2.  

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