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Die Übermacht - 9

Die Übermacht - 9

Titel: Die Übermacht - 9 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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gewesen. Sie hatten die Royal Charis derart hin und her geschleudert, dass die Passagiere unter Deck sich fühlten, als hätte man sie nach Strich und Faden verprügelt. Die Schiffszimmermänner waren die ganze Fahrt über mit einer Reparatur nach der anderen beschäftigt gewesen. Auch der Bootsmann hatte reichlich zu tun: Der Sturm hatte Segel und Gerät mit sich gerissen, und eine der Galeonen, die Royal Charis eskortiert hatte, war drei Tage lang verschwunden gewesen. Hätte Cayleb nicht auf das Bildmaterial von Merlins SNARCs zugreifen können, hätte er Stein und Bein geschworen, sie sei gesunken. Und einmal hatte der Wind sein Flaggschiff unter nackten Masten vor sich her getrieben und ihr dabei herzzerreißend viele Meilen geraubt, die sie sich schon nach Westen vorgekämpft hatte. Zu dem Zeitpunkt war sich Cayleb nicht einmal mehr sicher gewesen, ob nicht auch die Royal Charis selbst sinken könnte – ein Thema, das er seinerzeit Sharleyan gegenüber lieber nicht angeschnitten hatte.
    Doch der Hauptgrund, weswegen er so rasch wie möglich von Bord dieses Schiffes gehen wollte, hatte mit all dem nichts zu tun. Es ging ihm um die Aufgaben, die ihn in der Heimat erwarteten. Eine dieser Aufgaben war ganz besonders heikel, und das Zeitfenster, das ihm dafür blieb, würde das Ganze gewiss ... interessant gestalten.
    Cayleb schaute zu, wie die Galeeren, die als Schlepper fungierten, unter kräftigen Ruderschlägen näher kamen, und hörte das Jubeln der Besatzung, die ihren Kaiser in der Heimat willkommen hieß. Sein Lächeln wurde ein wenig breiter.
    »Nur Geduld, Nahrmahn!«, meinte er beruhigend. »Wir sind schon bald wieder an Land. Es sei denn, einer dieser Schlepper rammt und versenkt uns versehentlich.«
    Sir Rayjhis Yowance, seines Zeichens Graf Gray Harbor, galt gemeinhin als der Erste Ratgeber des Kaiserreichs Charis. Das war so, obwohl diesen Titel Baron Green Mountain trug, wenn der Kaiserliche Hof in Cherayth residierte. Nun schaute der Graf zu, wie die Galeeren die Royal Charis näher und näher an den steinernen Kai des Hafens schoben, und verspürte immense Erleichterung. Taue wurden zum Kai hinübergeworfen, gefolgt von dicken Trossen, die dann an den Pollern vertäut wurden. Mit Hilfe ihrer eigenen Winden zog das Schiff die Muringtrossen fest; Fender quietschten und stöhnten zwischen dem Bug und der hohen Kaimauer. Gleich darauf war auch schon eine Landungsbrücke zur Einstiegspforte auf Höhe der Schanz hinaufgeschoben.
    Es hatte eine Zeit gegeben, da Gray Harbor selbst ein eigenes Schiff kommandiert hatte. Er kannte die Zeichen dafür, dass ein Schiff schwere See und heftige Stürme durchlebt hatte: Ein Großteil des Anstrichs der Galeone war fort, sodass man das nackte Holz des Schiffsrumpfes sah; überall wuchsen Algen; ein Teil ihrer Beiboote fehlte (was an Tauwerk sie gesichert hatte, hatte man dicht um die Davits gewickelt); die Reling der Heckgalerie war schwer beschädigt; zwei der Marssegel waren so wenig fleckig, dass es sich zweifellos um neues Tuch handeln musste; die Luke einer der vordersten Geschützpforten hatte der Schiffszimmermann eindeutig ausgetauscht: Wie eine Zahnlücke wirkte das nackte, unlackierte Holz in der ansonsten makellosen Reihe der Geschützpforten. Als Gray Harbor die anderen vier Galeonen betrachtete, die das Schiff des Kaisers eskortiert hatten, sah er ähnliche oder sogar noch schlimmere Zeichen dafür, wie beschwerlich die Überfahrt gewesen sein musste.
    Ich weiß ja, das der Junge einen Magen aus Gusseisen hat , sinnierte der Graf, aber ich wette, selbst er hatte bei dieser Fahrt ein paar ziemlich aufregende Momente. Gott sei Dank habe ich davon nichts gewusst, bis er hier eingetroffen ist! Ich habe ohnehin schon genug graue Haare.
    Gray Harbor wusste, dass er dazu neigte, sich Sorgen um das zu machen, was Cayleb unbekümmert als ›Kleinigkeit‹ bezeichnete: das, was erforderlich war, um ein Kaiserreich funktionieren zu lassen. Der Graf wusste auch, dass dem Kaiser, egal, was er sagte, bewusst war, wie wichtig das alles war und keine Kleinigkeit. Trotzdem gab es immer wieder Momente, in denen die Versuchung fast übermächtig war, so etwas wie ›ich hab’s ja gleich gesagt‹ anzumerken. Als er das geschundene Schiff betrachtete, das im Hafen vertäut war, juckte es ihn mächtig, den Satz auszusprechen.
    Ist mir doch egal, wie sinnvoll das diplomatisch gesehen sein mag! , dachte er säuerlich. Aber dieser Unfug, die eine Hälfte des Jahres hier in

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