Die Übermacht - 9
›wahren Welt dort draußen‹ wirklich bedeuteten – in einer Welt, in der ein siddarmarkianischer Grubenarbeiter im Kohlebergbau nicht mehr als eine Mark am Tag verdiente und selbst einem Facharbeiter, wie einem ihrer eigenen Schiffszimmermänner, nicht mehr als anderthalb Mark am Tag gezahlt wurde.
»All dieses Geld mussten wir irgendwie aufbringen«, fuhr Duchairn schließlich fort, »und bislang ist uns das auch gelungen. Aber gleichzeitig mussten wir auch allen anderen finanziellen Verpflichtungen von Mutter Kirche nachkommen. Die waren ja schließlich nicht plötzlich wie von Zauberhand verschwunden! Natürlich konnten und können wir in anderen Bereichen Einsparungen vornehmen, um unsere Aufrüstung zu finanzieren. Aber auch diese Sparmaßnahmen haben ihre Grenzen. Selbst alle zusammengenommen reichen nicht einmal ansatzweise aus, um auch nur die Verluste bei unseren Einnahmen auszugleichen. Nicht so, wie unsere Finanzen derzeit strukturiert sind.«
»Und was müssen wir tun, um diese Struktur zu ändern?«, fragte Clyntahn ungerührt.
»Zunächst einmal«, antwortete Duchairn, »werden wir leider in den Tempel-Landen eine direkte Steuer einführen müssen.«
Clyntahns wirkte angespannter denn je, und Trynair riss beunruhigt die Augen auf. Die Ritter der Tempel-Lande, die weltlichen Herrscher dieses Reiches, waren zugleich die Vikare von Mutter Kirche. Nie hatten sie auch nur eine einzige Mark Steuern gezahlt! Allein schon die Vorstellung, das solle sich ändern, musste immense Verärgerung hervorrufen. Ihre Untertanen hatten gefälligst Steuern an sie zu entrichten, zuzüglich zum kirchlichen Zehnten, natürlich! Aber sie und Steuern? Nie und nimmer!
»Die werden Zeter und Mordio schreien!«, protestierte Trynair.
»Nein«, widersprach Clyntahn rau, »werden sie nicht!«
Der Kanzler hatte noch etwas hinzufügen wollen. Nun schloss er den Mund und blickte stattdessen neugierig den Großinquisitor an.
»Was wollten Sie gerade sagen, Rhobair?«, forderte Clyntahn den Schatzmeister zum Weitersprechen auf, ohne Trynair auch nur eines einzigen Blickes zu würdigen.
»Ich halte es für sehr gut möglich, dass wir auch einige Besitztümer der Kirche veräußern müssen.« Der Schatzmeister zuckte mit den Schultern. »Der Gedanke sagt mir auch nicht zu. Aber Mutter Kirche und die verschieden Orden verfügen überall auf beiden Teilen von Haven und auf Howard über ausgedehnte Ländereien.« Sie alle vier wussten natürlich genau, dass die Kirche des Verheißenen Safeholds reichster Grundbesitzer ... bei weitem. »Eine ganze Menge an Geld sollten wir zusammenbringen, ohne die Hauptgüter in den Tempel-Landen auch nur anzutasten.«
Diese Vorstellung schien Trynair beinahe ebenso zu bestürzen wie die Idee, die Ritter der Tempel-Lande zu besteuern. Clyntahns Miene hingegen blieb gänzlich ungerührt.
»Sie sind gewiss noch nicht fertig damit, uns diese äußerst scheußlich schmeckende Medizin zu verabreichen, Rhobair«, sagte er. »Spucken Sie’s schon aus!«
»Ich habe bereits sämtliche unserer Erzbischöfe vorgewarnt, sie sollen sich darauf einstellen, dass ihr erzbischöflicher Zehnter deutlich erhöht wird«, erklärte Duchairn unumwunden. »Derzeit sieht es für mich so aus, als müssten wir sie mindestens von den derzeitigen zwanzig Prozent auf fünfundzwanzig erhöhen. Es ist durchaus möglich, dass wir letztendlich sogar bis zu dreißig Prozent gehen müssen.«
Ihm entging nicht, dass diese Vorstellung Trynair und Maigwair deutlich weniger zu beunruhigen schien als alle anderen bisherigen Vorschläge. Dabei war dies die Maßnahme mit der größten Breitenwirkung. Clyntahn schien davon ebenso unbeeindruckt wie von allem anderen bisher Gesagten.
»Das sind alles Möglichkeiten, an neue Gelder zu kommen«, stellte er fest. »Welche Möglichkeiten haben wir denn, Geld zu sparen?«
»Da gibt es nicht allzu viel, wenn wir nicht in unangemessener Art und Weise die Kern-Ausgabenfelder beschneiden wollen.« Ruhig blickte Duchairn den Großinquisitor über den großen Konferenztisch hinweg in die Augen. »Ich habe bereits die Subventionen für sämtliche Orden drastisch gekürzt, ebenso die Fördermittel für Lehrmaterial und dergleichen unserer lehrenden Orden. Auch die Finanzierung sämtlicher Krankenhäuser der Pasqualaten wurden um zehn Prozent beschnitten.«
»Sparen Sie doch, indem Sie die Finanzierung von Thirsks geliebten Rentenzahlungen einstellen!«, krächzte Clyntahn. »Oder hören Sie auf
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