Die Übermacht - 9
damit, all die Leute hier in Zion zu verhätscheln, die einfach zu faul sind, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten!«
»Mutter Kirche hat sich verpflichtet, diese Rentenzahlungen zu leisten«, erwiderte Duchairn, ohne mit der Wimper zu zucken. »Wenn wir dieser Verpflichtung nicht nachkommen, warum sollte dann noch jemand auf unser Wort und unsere Vertragstreue vertrauen? Und was glauben Sie: Wie wirkt es sich auf die Treue aller anderen Söhne und Töchter von Mutter Kirche aus, wenn wir entgegen aller Versprechen nicht für die Witwen und Waisen der Männer aufkommen, die im Dienste von Mutter Kirche gefallen sind, Zhaspahr? Ich weiß wohl, dass Sie der Großinquisitor sind, und ich werde mich auch Ihrer Entscheidung beugen, wenn Sie darauf bestehen. Aber mit dieser Entscheidung würden wir genau das angreifen, was allen gottesfürchtigen Menschen auf dieser Welt am wichtigsten ist: ihre Verantwortung ihrer Familie gegenüber und allen, die ihnen am Herzen liegen. Wenn Sie das bedrohen, dann untergraben Sie damit alles, woran diese Menschen sich festhalten – nicht nur in dieser Welt, sondern auch in der nächsten.«
Clyntahns Kiefermuskeln spannten sich an. Doch Duchairn fuhr mit der gleichen ruhigen Stimme fort:
»Was nun das Verhätscheln der Leute betrifft, ›die einfach zu faul sind, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten‹: Darüber hatten wir doch bereits gesprochen. Es ist die Pflicht von Mutter Kirche, für ihre Kinder zu sorgen – eine Pflicht, die wir schon viel zu lange missachtet haben. Jede Mark, die ich in diesem Winter hier in Zion ausgegeben habe – jede Mark, die ich vielleicht im nächsten Winter werde aufwenden müssen oder in dem darauffolgenden Winter –, wäre doch nur ein einzelner Tropfen Wasser im ganzen Großen Westozean im Vergleich zu den Kosten für diesen Heiligen Krieg. Diese Mittel sind so gering bemessen, dass sie einfach verschwänden, wenn meine Buchhalter das nächste Mal auf- oder abrunden, Zhaspahr! Im Vergleich zu all unseren anderen Ausgaben ist dieser Posten gänzlich unbedeutend. Und ich war persönlich dort draußen, in der Innenstadt. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie das Volk darauf reagiert, dass es Unterkünfte und Suppenküchen gibt. Ihre Inquisitoren haben Ihnen und Wyllym doch gewiss ebenfalls bereits darüber Bericht erstattet. Meinen Sie wirklich, diese kärglichen Summen, die wir darauf aufwenden, seien keine lohnende Investition, damit die ganze Stadt nicht nur erträgt, was wir ihr und ihren Söhnen und Töchtern abverlangen, sondern es sogar aus tiefster Seele unterstützt?«
Sie funkelten einander an, und die Anspannung im Sitzungssaal senkte sich wie eine schwere Rauchdecke über den ganzen Raum. Kurz glaubte Duchairn, Clyntahn wäre zornig genug, die Grenze zu übertreten, die zu ziehen sie vor einem Jahr vereinbart hatten. Dann wäre der Kompromiss gefallen, mit dem sich der Großinquisitor Duchairns Schweigen erkauft hatte, Schweigen angesichts aller Pogrome der Inquisition und aller entsetzlichen Strafen, die der Großinquisitor verhängen ließ. In den wenigen Momenten, in denen Clyntahn tatsächlich klar dachte, war ihm vermutlich durchaus bewusst, dass Duchairn Recht hatte: Die Kirche musste auch eine sanftere, liebevollere Seite haben. Sie konnte sich nicht ausschließlich auf die eiserne Faust der Inquisition verlassen. Doch das hieß noch lange nicht, dass Clyntahn das auch gefiel. Sein Ärger über diese ›Aufteilung der Ressourcen‹ wurde nur von seiner Verachtung für Duchairns Schwäche übertroffen – Verachtung dafür, dass der Schatzmeister von Mutter Kirche sein Gewissen zu beruhigen suchte, indem er der ganzen Welt sein Mitleid schenkte.
Wenn es zwischen Duchairn und Clyntahn tatsächlich zur offenen Konfrontation käme, wären die Folgen entsetzlich. Das wusste Duchairn genau. Doch es gab Dinge, die zu opfern er nicht mehr bereit war. Schlussendlich war es Clyntahn, der den Blick abwandte.
»Machen Sie doch, was Sie wollen!«, grunzte er, als sei das Ganze nur eine unbedeutende Kleinigkeit. Duchairn spürte, wie seine Nerven sich kaum merklich entspannten.
»Es hat wahrscheinlich wirklich keinen Sinn, diese im Vergleich zu unseren Gesamtausgaben unbedeutenden Summen einsparen zu wollen«, sagte Trynair. »Aber meinen Sie denn, wir könnten eine neue Flotte aufbauen, wenn wir wirklich alle Ihre bisherigen Vorschläge umsetzten, Rhobair?«
»Diese Frage sollten Sie eigentlich eher Allayn stellen als mir.
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