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Die Uhr der Skythen (German Edition)

Die Uhr der Skythen (German Edition)

Titel: Die Uhr der Skythen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Cordes
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der nervöse Wellengang auf der Oberfläche eines jahrhunderttiefen Ozeans, auf dessen Grund Stillstand herrscht seit Entstehung der Welt.
    Neben der Waschhalle schraubt ein junger Mann an einem Trecker herum. Vor einer der Zapfsäulen steht ein Motorrad, das Stahlseil am Fahnenmast schlägt einen atonalen Takt, und eine fette Katze schleicht sich unter dem Zaun durch.
    Das Gesicht des Tankwarts ist eine gealterte Erinnerung. Fokko erkennt darin die Züge des Lehrlings, der vor vielen Jahren das erste Mal einen solchen Kittel übergestreift hat. Er sucht eine Straßenkarte und fragt nach Hamelmann. Der Mann streicht mit der flachen Hand über die Zeitschrift, die vor ihm aufgeschlagen auf dem Tresen liegt, als könnte er so seine Gedanken glätten.
    »Der alte Lehrer?«
    »Ja.«
    »Wohnt in der Villa. Drüben.« Er nimmt die Karte, zeigt mit ihr die Straße aufwärts und hält sie dann unter den Scanner, der einen gereizten Piepton von sich gibt. »Noch was?«
    »Nee«, sagt Fokko, da fällt sein Blick auf ein Regal mit Schokolade. »Doch«, korrigiert er sich, nimmt eine Tafel Halbbitter und legt sie neben die Kasse. »Für meinen Vater.«
    »Bißchen schrullig, der Typ.«
    »Wer?«
    »Hamelmann. Hat nur Katzen und Bücher in seinem Schloß.«
    Der Scanner piept abermals.
    »Acht-dreißig«, sagt der Tankwart. Fokko kramt einen Zehner hervor und legt ihn auf die Zeitschrift.
    »Und Merreth?« fragt er so beiläufig, als hätte er lediglich wissen wollen, wie das Wetter werden wird, schaut auch aus dem Fenster an den Zapfsäulen vorbei in den Himmel über Jemgum, aber der ist nur ein unbeschriebener, grauer Karton. »Merreth Winterboer?«
    »Keine Ahnung«, sagt der Mann, sucht umständlich das Wechselgeld aus der Kasse und streut es auf die Zeitung, »wo die wohnt.«
    »Na, egal«, murmelt Fokko vor sich hin, klaubt die Münzen zusammen, steckt die Karte und die Schokolade in den Rucksack und geht mit einem kargen Gruß, ist mit einem Bein schon aus dem Laden, da hört er den Tankwart sagen, als sei es an irgendjemanden im Nebenraum gerichtet: »Aber die arbeitet im Rathaus.«
    Fokko macht den letzten Schritt zurück und bleibt seltsam verdreht auf der Schwelle stehen. »Merreth?«
    »Ja, bei der Gemeinde. Gleich hinter der Villa.«
    »Danke.«
    Er schiebt das Rad die wenigen Meter. Hamelmanns Palast besitzt die Farbe verharschten Schnees, ist das Domizil eines kauzigen Provinzfürsten, überfrachtet mit klassizistischen Versatzstücken und fehlplaziert auf dem kleinen, ungepflegten Grundstück inmitten der schlichten Architektur des Ortes wie ein abgetragener Diamantring an der verschorften Hand einer alten Magd. Die Katze von der Tankstelle schleicht eben die herrschaftliche Freitreppe hinauf, aus dem majestätischen Schornstein steigt ein zartes Rauchfähnchen in die diesige Luft, und die Einsamkeit scheint das Haus wie eine eiserne Aura gefangen zu halten. Es ist für den Moment, den Fokko mit dem Rad an der Hand innehält, als wäre eine Neutronenbombe niedergegangen, die alles Leben in einer Sekunde ausgelöscht und nichts weiter hinterlassen hat, als die Welt der Dinge, allenfalls ein Universum mutierter Pflanzen, die sich ab sofort anschicken, in Jahrhunderten zu verdauen, was die ingeniösen Erfinder der Bombe hinterlassen haben.
    Den Punkt wird es geben. Mit oder ohne Bombe. Es wird diesen kosmischen Augenblick geben, an dem der letzte Mensch auf diesem Planten verstirbt. In hundert Jahren oder in hunderttausend, aber in dieser Sekunde kommt es ihm vor, als wäre somit alles künftige vergeblich.
    Das Rathaus ist ein häßlicher Zweckbau. Fokko stellt das Rad an einen Waschbetonquader mit Rindenmulch, betritt das Gebäude und findet im Eingangsbereich eine Hinweistafel mit den Abteilungen, Zuständigkeiten und Amtsstuben. Die Struktur der Gemeinde ist recht übersichtlich, und so hat er rasch gefunden, was er sucht: Fachbereich Bürger und Ordnung, Bürgeramt, Zi. 17, Frau Winterboer .
    Es ist alles ebenerdig. Mit ein paar Schritten wäre er den Gang entlang bis zur Nummer siebzehn, einmal anklopfen, ihre Stimme dringt schwach aber freundlich durch die Tür, er tritt ein, was kann ich für Sie tun, wird sie fragen, ihn freilich nicht wiedererkennen, allein des vollkommen distanzierten Zusammenhangs wegen, bitte, wird er leise sagen, vielleicht als sehr verzögerte Replik auf das zärtliche Danke, das sie ihm im Bahnhof schenkte, als er sie vor dem Sturz bewahrt hatte, aber von all dem ahnt sie nichts, ihre

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