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Die Uhr der Skythen (German Edition)

Die Uhr der Skythen (German Edition)

Titel: Die Uhr der Skythen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Cordes
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das Wasser, die Aquavits und das eine Bier in der Kladde, dann weist er auf den Rotwein.
    »Für die Dame?«
    Eva lächelt auf eine rätselhafte Art, nicht unsicher, nicht überlegen, irgendwie still für sich allein, selbstzufrieden vielleicht oder mit einem bescheidenen Stolz. Schwammheimer trägt der rothaarigen Frau den Wein an den Tisch, spricht ein paar Worte mit ihr und bringt es fertig, daß für einen lichten Moment ihr Lachen zu hören ist, als regnete es Silbermünzen. Das ist, denkt Fokko, der genuine, unkopierbare Jakob Schwammheimer.

Kapitel 4
     
    Wie ein Schiff, das erst unter Dampf kommen muß, steckt sich Schwammheimer unter der Tür des Crocodile eine Zigarre an, ehe er auf den tief verschneiten Ozean hinausqualmt. Schweigend ziehen sie aus der Altstadt, schauen nach den dünnen Wolken, die bedächtig davonschweben und einen grandiosen Sternenhimmel freigeben. Der Schnee staubt frisch unter ihren Füßen, und erst jenseits des Museums, das der Schriftsteller wie noch stets und immer mit einem verächtlichen Blick bedenkt, erst als sie auf dem rutschigen Pflaster der Arndtstraße in das Katharinenviertel eingetaucht sind, spricht der Dichter.
    »Die Sache wird dein Leben ändern.«
    »Wieso?« fragt Fokko, obwohl er genau das schon eine Weile zu ahnen glaubt.
    »Unbedingt und radikal«, behauptet Schwammheimer, hält noch an der Fußgängerampel am Arndtplatz für den Augenblick inne, den es braucht, die vorüberschleichenden Autos zu bewundern und auf Grün zu warten, als sie aber an den dampfenden Taxis vorbei und fast schon in den Schnatgang eingebogen sind, entwickelt er gleichsam Schritt für Schritt die komplette Theorie der Zauberuhr, hat ihre unendlichen Möglichkeiten flink erfaßt und die sagenhaften Folgen begriffen. »Wir sind reich, Fokko, steinreich! Wir können alles haben, alle Macht, alle Welt, jede Frau!«
    Der Pappelgraben liegt vor ihnen wie eine nachtblaue Radierung, in die sie jetzt wie in das von Schwammheimer projizierte Zukunftsbild eintreten, und Fokko kommt es vor, als läge ein starkes Empfinden von Abschied darin. Aus einem der Reihenhäuser ist schwermütige Musik zu hören.
    »Vivaldi«, sagt er still, als könnte er sonstwo jemanden stören. »Cellokonzert in C-Moll. Seine Gefühle sind dreihundert Jahre alt, aber es ist nichts verloren, nicht eine Note.«
    »Keineswegs«, sagt Schwammheimer und zieht ihn weiter. »Wenn zum Beispiel einer der Politiker eine seiner Reden hält zum Krieg, eine Suade, die der Logik folgt, die präzise in dem Waffensystem steckt, mit dem der Redner diskret wirtschaftet, wenn er also anhebt, ein Interesse deutlich zu machen, einen Feind erkenntlich, dann wäre der Moment, diese ungute Sache mit Hilfe deiner Uhr zunächst zum Stillstand zu bringen, um ihr zuletzt eine gute Wendung zu geben. Du spazierst durch die paranoide Aura der Bodyguards auf die Bühne, tauscht den Redetext des Mephistopheles gegen einen des Jesus von Nazareth, so wird der gute Mann, wenn du ihn mit Hilfe deiner Uhr in sein verqueres Leben reanimiert hast, von der Liebe zu seinen feindlichen Nachbarn faseln, er wird sich lächerlich machen, und das ist am Ende die wirksamste Medizin gegen die wollüstige Gier nach der Macht.«
    An einem profanen Brückengeländer ist Schwammheimer stehengeblieben, zeichnet ein Muster in den Schnee, schreibt eine unergründliche Botschaft auf das kalte Metall und horcht seinen Worten hinterher.
    »Ich höre es noch«, sagt Fokko an seiner Seite.
    Schwammheimer betrachtet das Wasser des Pappelgrabens, das gewiß bald zu gefrieren gedenkt, als wäre es ein erbauliches Bächlein in einem feudalistischen Garten, er selbst der Fürstbischof, der an der Balustrade seines Balkons die Winterluft seine Gedanken klären und seine Hand auf der Schulter des Vertrauten ruhen läßt.
    »Was?« fragt er milde.
    »Das Cellokonzert. Wahrscheinlich vier drei vier, müßte mich schon sehr täuschen.«
    Der Fürstbischof nimmt die Hand zurück, dreht sich und erkennt wenig erstaunt, daß der Palast, den er in seinem Rücken wähnte, nicht existiert. Wenigstens nicht hier. So setzt er sich dorthin in Bewegung, wo er ihn vermuten darf, weiter auf dem Weg am Graben lang, mit bedächtigen und zur Seite merkwürdig schräg ausgreifenden Schritten, die er offenbar still zählt. Eine alte Angewohnheit.
    »Es ist eine Frage des Charakters«, spricht er dabei, aber es wird nicht recht deutlich, zu wem er es sagt und was er meint.
    »Ja«, sagt Fokko und versucht,

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