Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Uhr der Skythen (German Edition)

Die Uhr der Skythen (German Edition)

Titel: Die Uhr der Skythen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Cordes
Vom Netzwerk:
diese Wohnung, die Stadt. Sein Leben wird sich radikal verändern, gewissermaßen anhalten und umkehren. Und die verfängliche Uhr wird er irgendwo verstecken und schlicht vergessen.
    Er setzt sich auf die Bettkante, zieht die Decke ein Stück zurück und legt ein Ohr auf ihre Brust. Dann wartet er. Nichts geschieht. Ihr Herz schlägt nicht, ihr Atem geht nicht, das Blut steht in ihren Adern still und müßte gerinnen. Der Zeitstillstand ist kein organisches Phänomen, sonst wäre sie längst tot. Es ist eben nichts anderes als eine Unterbrechung des Kontinuums aller Ereignisse. Ursache und Wirkung sind nicht außer Kraft gesetzt, sie sind nicht umgekehrt und nicht voneinander gelöst, ihr Spiel hält bloß für einen Atemzug oder einen Monat inne. Und er allein ist in der Lage einzugreifen.
    Behutsam schließt er die Uhr. Eva stolpert im Halbschlaf über eine Kante, ihr Blick fliegt für eine unsichere Sekunde davon, dann hat sie ihre gute, alte Selbstbeherrschung zurück.
    »Nicht schlecht«, sagt sie lächelnd, stützt sich auf die Ellenbogen, und die Seide rinnt ihr vom Körper und sammelt sich in ihrem Schoß. Es ist, wie der Saum der Brandung sich ins Meer zurückzieht, eine rückwärtige Bewegung, die ihm symbolisch vorkommt, unvermutet empfindet er ein fremdes Gefühl für Eva, etwas wie Mitleid, Wehmut oder gar Verlangen.
    »Du kannst es nicht erleben«, sagt er, erhebt sich von der Bettkante, nimmt die Uhr vom Nachtschrank und legt sie sofort wieder zurück. Dann geht er ein paar Schritte auf und ab und bleibt schließlich am Fenster stehen. Der Radfahrer ist verschwunden. »Ich kann es dir nicht vorführen. Allenfalls mittelbar, mit solchen Tricks.«
    Das Licht im Raum erlöscht, einen Moment später spürt er ihren Atem in seinem Nacken, ihre Hände tasten sich unter seinen Achseln hindurch auf seinen Bauch und begeben sich von dort aus auf eine faustische Expedition.
    »Und was hast du nun vor?« fragt sie.
    »Womit?«
    »Mit der Uhr.«
    »Nichts. Ich habe keine Absichten, wenigstens nicht mit der Uhr.«
    »Und welche dann?«
    Wenn es für den ersten Augenblick noch den Anschein haben konnte, ihre Hände wären vielleicht zufällig unterwegs, so machen sie jetzt ihren Vorsatz unter seinem Pullover mehr als deutlich, und ihre Zunge hat in seinem Nacken einen Punkt gefunden, an dem sein Verstand auszuknipsen ist wie ein Kofferradio.
    »Ich gehe weg.« Seine Worte sind kaum etwas anderes als ein lächerlicher Kiekser. »Habe ich dir gesagt.«
    »Und die Uhr?«
    »Nehme ich mit oder werfe ich weg.«
    Wie eine Tempeltänzerin dreht sie sich um ihn herum und bringt es fertig, auf einmal vor ihm zu stehen, und derweil ihre Hände den rückwärtigen Kontinent seines kataplektischen Körpers erforschen, versucht Fokko vergeblich, sich mit Worten zu wehren, bedauert gar, daß es ihm unmöglich ist, die Uhr zu verschenken, da sie schließlich auf ihn allein geprägt sei.
    »Das ist zu schade«, haucht Eva. »Ich habe Schmerzen.«
    »Wo?«
    »Dort.«
    Sie nimmt seine rechte Hand und legt sie behutsam auf ihre linke Brust. Vollkommen klar kann er denken, daß er genau das nicht will, wünscht sich die Zauberuhr herbei, um sich aus der ungewollten Umarmung zu retten, aber indes stellt sich ihre Brustwarze ein wenig auf, und dem gehorcht korrespondierend eine Halbinsel seiner frontalen Hemisphäre, der sich ihre sondierenden Finger nähern.
    »Mir ist kalt«, sagt sie, und als habe sie die Absicht, sich mit seinen Kleidern zu wärmen, beginnt sie, ihn systematisch zu entkleiden wie eine gestrenge Mutter ihr frierendes Kind. Er kann wohl eben noch denken, daß er das nicht will, als sie aber die südlichen Gefilde freigelegt und der exponierten Landzunge mit routinierter Finesse die rechte Ausdehnung verleiht, ist es um ihn geschehen. Sie verschleppt ihn unter die seidene Meeresoberfläche ihres Bettes und beginnt ihn methodisch zu verdauen wie eine Spinne eine Fliege. 
    Aller Widerstand fließt ihm dahin. Eva ist nun überall mit ihren Fingern, ihrer Haut, ihrem Atem und ihrer Lust, lotst und lenkt die seine wie eine sattelfeste Dirigentin, und als sie ihren Sklaven aus dem Zotteltrab in einen versammelten Galopp getrieben und ihm längst die kärglichen Reste seines Verstandes ausgetrieben hat, fällt ihr Blick wie von ungefähr auf die skythische Uhr, die da auf ihrem Nachtkästchen ruht wie sonst eine Kostbarkeit.
    Was wäre, wenn.
    Eine ganz andere Lust steigt in ihrem Bauch auf. Was wäre, wenn sie sich eben

Weitere Kostenlose Bücher