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Die Uhr der Skythen (German Edition)

Die Uhr der Skythen (German Edition)

Titel: Die Uhr der Skythen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Cordes
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quasi eine Teilhaberschaft an seiner Prägung erritte, was, wenn er mit Hilfe seines Zauberstabes die magische Zeitlosigkeit mit ihr nach siamesischer Art teilte? Sie schielt zu der Uhr. Sollte es nicht funktionieren, wird nicht mehr geschehen, als daß sie sanft zur Seite gleitet, und er eine Ohnmächtige beschläft, aber das wird ihm in der Vergangenheit oft genug ähnlich ergangen sein.
    Es ist einen Versuch wert. In vollem Galopp beugt sie sich vor, ergreift die Uhr, streckt sich voller Lust ins Kreuz, wirft einen letzten Blick auf die digitale Zeit, die auf dem Nachttisch neongrün leuchtet, fünf vor halb vier, dann hat sie die Büchse der Pandora geöffnet.
    Nichts geschieht.
    Nicht mehr, als daß Fokko unter ihrem Schenkeldruck mit geschlossenen Augen ein paar achtbare Hindernisse nimmt, höchstwahrscheinlich steigt ihm schon der Stallgeruch in die pulsierenden Nüstern, will möglichst bald ankommen, der Wecker zeigt noch immer fünf vor halb vier, und Eva, nachdem bestimmt zwei, drei Minuten vergangen sind, gibt sich einer neuen, gleichsam zeitlosen Wollust hin, schließt rasch die Uhr, legt sie zurück und treibt ihren Gaul gelassen über Feld und Flur ins Ziel.
    Fokko merkt von alledem nichts, liegt wie fast gestorben da, zuckt bisweilen wie vergiftet, während sich Eva diverse Gedanken macht. Sie besitzt jetzt ein hübsches Geheimnis, ist aber neugierig, wie weit das Wunder trägt, ob die magische Verquickung für eine Weile wirksam bleibt, sie spielt mit der Idee, die Uhr abermals diskret zu öffnen, wenn es aber, so kommt ihr in den aufgewühlten Sinn, dann nicht funktioniert, läge sie mit der offenen Uhr in Händen ertappt an seiner Seite. Das wird auch anders gehen. Sie dreht sich auf die Seite und streichelt ihm die Wangen.
    »Mein Fikko…«, flüstert sie, haucht ihm einen Kuß auf die Lippen. Was wäre, wenn es ginge? Mit der Zauberkraft der Skythenuhr wäre die Welt zu beherrschen, und selbst, wenn sie sie täglich oder bei Gelegenheit auf diese wenig unangenehme Art und Weise auftanken müßte, ließe sich alles erreichen, was man sich erträumen könnte: Besitz und Prominenz, Macht und, wer weiß, vielleicht sogar eine verlängerte Jugend.
    Sie streicht mit einer Hand ihren fabelhaften Bauch hinab und schickt den Mittelfinger in die bezaubernde Schattenwelt dort unten. Wenn es tatsächlich nur unter der Vereinigung funktioniert, so besäße sie immerhin einen immensen Einfluß auf das, was während des Zeitstillstandes geschehen wird. Und was wäre, kommt ihr in den betäubten Sinn, und ihr Finger macht plötzlich, was er will, wenn Fokko sie im richtigen Moment verlassen würde, versänke sie dann mit der Zeitlosigkeit in einen unbefristeten Höhepunkt? Ein glühender Stromfluß durchfährt ihren Körper und spült alle Gedanken hinfort.
    Irgendwann spricht Fokko etwas Unverständliches.
    »Bleib bei mir«, sagt sie, beugt sich über ihn, streichelt ihm das Gesicht und spielt mit seinen Lippen. »Laß uns von vorn anfangen!«
    »Wegen der Uhr?«
    »Quatsch, weil du mir fehlst!«
    »Der Fikko fehlt dir.«
    »Ja, sehr. Aber ebenso der Fokko. Seine Zuverlässigkeit, seine Bildung…«
    »Und?«
    »Nichts und.«
    »Du hast doch gelegentlich noch zwei krumme Füße mit im Bett.«
    »Wie?«
    »Und einen Siegelring…«
    »Ach…«
    »Kenne ich ihn?«
    Sie schüttelt den Kopf, dreht sich auf den Bauch und stützt sich auf die Ellenbogen.
    »Nein«, sagt sie und betrachtet ihre Fingernägel, als stünde dort der komplette künftige Text, »den kenne ich selbst nicht, war so ein resignierter Macho, der am Tresen kleben geblieben ist, das war pures Mitleid – und vielleicht der Kummer.«
    »Kummer?«
    »Ja.«
    »Du hast mich, nicht ich dich.«
    »Was?«
    »Verlassen. Rausgeschmissen.«
    Auf ihren Fingernägeln steht offenbar nichts mehr geschrieben, und ihr Schweigen scheint ihm eine Art Beweisführung zu sein.
    »Nun«, sagt sie schließlich, »wahrscheinlich war es sowas wie Selbstmitleid.«
    Er versteht das nicht, aber es ist ihm gleichgültig.
    »Machst du mir noch ein Kunststück?« fragt sie.
    »Was?«
    »Mit der Uhr.«
    Er schüttelt den Kopf.
    »Nur eine Kleinigkeit«, bittet sie, dreht sich auf den Rücken und zieht sich das seidene Bettuch bis ans Kinn wie ein keusches Mädchen.
    »Was für eine Kleinigkeit?«
    »Nun«, sagt sie und glaubt in diesem Moment, die Zukunft glasklar vor sich zu sehen und in Besitz genommen zu haben, »wie wäre es, wenn ich nur einmal mit den Augen zwinkere, und

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