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Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out

Titel: Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natsuo Kirino
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mehr zurückgekommen.«
    Sie ließ die Schultern sinken. Ganz so, als wäre ihr nun zum ersten Mal bewusst geworden, dass Kenji niemals wieder nach Hause kommen würde. Du hast ihn doch selbst umgebracht, flüsterte ihr eine innere Stimme zu, aber sie beachtete sie nicht.
    »Ja. Ist so etwas denn bisher schon einmal vorgekommen?«
    »Dass er nicht heimgekommen ist?«
    »Ja.«
    »Nein, nie. Das heißt, ab und zu ist es beim Trinken später geworden, so dass er es nicht geschafft hat, bis ich aus dem Haus musste, aber dann hat er sich natürlich jedes Mal beeilt.«

    »Nun ja, Männer müssen eben manchmal ausgehen und ihre Bekanntschaften pflegen, da kann es schon einmal spät werden.« Kinugasa nickte mit wissendem, wichtigtuerischem Gesicht.
    »Ja, das weiß ich, und er hat mir auch manchmal Leid getan deswegen, weil er doch so eingeengt war durch seine Familie und sich trotzdem immer bemüht hat. Er war ein guter Mann.«
    Elende Lügnerin! In Yayoi regte sich der Widerspruch. Nicht ein einziges Mal hatte der Kerl sich beeilt, nach Hause zu kommen, immer war er extra spät heimgekehrt, weil es ihm lästig gewesen war, ihr noch zu begegnen, obwohl er doch genau gewusst hatte, dass sie voller Sorge, die Kinder alleine zu lassen, bis zur letzten Minute wartete und dann jedes Mal schweren Herzens und mit schlechtem Gewissen zur Arbeit gegangen war. Gar nicht hatte er sich um sie und die Kinder bemüht, wirklich, ein schlechter, ein fürchterlicher Mann war er gewesen...!
    »Ja, aber wenn es doch das erste Mal war, dass er eine ganze Nacht außer Haus verbracht hat – warum sind Sie dann wütend auf ihn gewesen, Frau Yamamoto? Normalerweise würde man sich dann doch eher Sorgen machen.«
    »Zunächst habe ich gedacht, er würde sich einfach irgendwo amüsieren...«, antwortete Yayoi mit leiser Stimme.
    »Hatten Sie niemals Streit mit Ihrem Mann?«
    »Doch, manchmal schon.«
    »Worüber?«
    »Nur über Kleinigkeiten.«
    »Nun ja, Eheleute streiten sich meistens über Kleinigkeiten. Tja, dann will ich Sie noch einmal nach jenem Dienstag fragen: Sie sagen, Ihr Mann sei an diesem Morgen wie gewöhnlich zur Arbeit gegangen?«
    »Ja.«
    »Welche Kleidung trug er?«
    »Ja, also, ganz normal, wie immer: Er trug einen Sommeranzug...« Als sie schon begonnen hatte zu antworten, fiel ihr plötzlich ein, dass Kenji an jenem Abend kein Jackett getragen hatte. Ganz sicher, er hatte es nicht mehr angehabt, als er nach Hause gekommen war, und über dem Arm hatte er es auch nicht getragen. Vielleicht war es doch noch irgendwo im Haus? Oder aber, er hatte es, besoffen wie er war, irgendwo in der Nachbarschaft fallen
gelassen? Das war ihr bisher noch gar nicht in den Sinn gekommen! Ihr wurde angst und bange, die Magengrube begann zu stechen, und sie bekam kaum noch Luft. Mit knapper Not schaffte es Yayoi, Haltung zu bewahren.
    »Was ist, Frau Yamamoto, geht es noch?« Wieder verengten sich Kinugasas Augen, und der Gegensatz zwischen diesem scheinbaren Ausdruck der Härte und seinen milden Worten verstörte sie.
    »Ja, entschuldigen Sie. Mir ist nur klar geworden, dass ich ihn so zum letzten Mal gesehen habe, und da bin ich traurig geworden …«
    »Es ist immer hart, einen Menschen so plötzlich zu verlieren.« Kinugasa sah sich kurz zu Imai um. »In diesem Beruf erleben wir das leider allzu oft. Auch wenn wir selbst nicht betroffen sind – es fällt niemandem leicht, damit umzugehen. Nicht wahr, Imai?«
    »Ja, das ist immer schwer.«
    Sie taten ganz so, als hätten sie Mitleid mit ihr, aber für Yayoi war klar, dass beide nur auf einen Patzer von ihr warteten.
    Sie durfte sich nicht verraten, auf keinen Fall. Sie musste das jetzt durchstehen, und zwar allein. Nicht die kleinste Blöße durfte sie sich geben, alles musste verborgen bleiben.
    Da hatte sie die Situation so oft im Kopf durchgespielt, sich alles so genau zurechtgelegt und eingeschärft, bis sie geglaubt hatte, es im Schlaf zu beherrschen. Und nun, unter den bohrenden, misstrauischen Blicken, fühlte sie sich nackt, durchschaut bis auf den blauen Fleck in der Magengrube. Es war so schlimm, dass sie sogar die Lust verspürte, sich auszuziehen und den Fleck vor aller Welt zu zeigen.
    Yayoi war verzweifelt, sie stand kurz davor aufzugeben. Plötzlich hatte sie die Hände ineinander gelegt und drückte sie kräftig zusammen, so, als würde sie einen unsichtbaren Putzlappen auswringen und damit den Willen herauspressen, der sie retten würde. Denn ihr Wille war in diesem Fall das

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