Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out
ermordet und gleich darauf zerstückelt wurde. Dann hatte Masako Katori den Vertrag also aus Rücksicht auf Yayoi zurückgeholt, die um ihren verschwundenen Mann bangte – ein solches Verhalten wäre nicht weiter verwunderlich. So weit, so gut. Aber warum hatte dann Kuniko ausgerechnet Yayoi, die doch gerade in solchen Schwierigkeiten steckte, um die Unterschrift unter die Bürgschaft gebeten? Und wieso hatte Yayoi dem auch noch zugestimmt? Eine Frau, deren Mann gerade spurlos verschwunden war, wäre doch vor Sorge zu aufgewühlt, als dass sie sich mit so etwas beschäftigen würde.
Und welche Rolle spielte Masako Katori dabei? Dieses ausgekochte Weib war doch nicht der Typ, der sich mir nichts, dir nichts von billigem Mitleid treiben ließ.
Jūmonji nahm sich vor, der Sache auf den Grund zu gehen, faltete die Zeitung zusammen und warf sie auf den staubigen
Teppich. Die Kleine, die die ganze Zeit schweigsam geblieben war, da er sie mit seiner Stimmung offenbar doch noch eingeschüchtert hatte, streckte zaghaft die Hand danach aus und vertiefte sich ins Fernsehprogramm. Abwesend verfolgte Jūmonji ihre Bewegungen und atmete tief durch. Das Ganze roch nach Geld. Sein Herz klopfte vor Aufregung.
Die Zeiten hatten sich geändert, die jungen Leute machten ihre Schulden jetzt an Geldautomaten, da war man als Geldverleiher passé, es war einfach nichts mehr zu holen. Spätestens nächstes Jahr würde das »Verbraucherzentrum Million« bankrott gehen, deshalb hatte er sich schon mit dem Gedanken angefreundet, ins Maklergeschäft umsteigen zu müssen. Und genau in diesem Moment fiel ihm ein solcher Coup vor die Füße. Jūmonji atmete noch einmal tief durch, als schwebten ihm tatsächlich schon die Bündel mit Banknoten vor Augen.
»Hör mal, ich hab jetzt wirklich Hunger. Lass uns endlich irgendwo hingehen!« Die Kleine zog einen Schmollmund.
»Gut, wir gehen!«, antwortete Jūmonji und versetzte sie mit seiner plötzlichen guten Laune in Erstaunen.
5
Yayoi schwebte zwischen Mitleid und Verdächtigung. Wie ein Tennisball wurde sie zwischen diesen beiden starken Gefühlen, die ihr die Leute entgegenbrachten, hin- und herkatapultiert. Das verwirrte sie, denn es nahm ihr jedes Gespür dafür, wie sie sich verhalten sollte.
Es war wie ein ständiger Wechsel der Tonart. Das Mitgefühl, das ihr Herr Iguchi, der Leiter der Einsatzstelle für häusliche Sicherheit im Musashi-Yamato-Polizeirevier, noch am Nachmittag entgegengebracht hatte, schien schon am selben Abend, als sich die Handtellerabdrücke der Leiche als die von Kenji erwiesen hatten, in Verdächtigung umgeschlagen zu sein.
»Die zerstückelte Leiche im Koganei-Park ist aufgrund der Handtellerabdrücke als Ihr Ehemann identifiziert worden. Damit ist der Tatbestand der Leichenschändung und -beseitigung erfüllt, und der Fall wurde der Kriminalpolizei des hiesigen Reviers, Abteilung Eins, und dem Dezernat Eins des Tōkyōter Polizeipräsidiums übergeben, die von nun an die Ermittlungen führen. Aufgrund
der Schwere des Delikts wurde eine Sonderkommission mit Hauptquartier im Musashi-Yamato-Revier eingerichtet, die um Ihre tatkräftige Unterstützung bittet, Frau Yamamoto.«
Obwohl er am Nachmittag angekündigt hatte, dass sie dann aufs Revier kommen müsste, war Iguchi noch einmal persönlich vor ihrer Haustür erschienen. In seinen kleinen Augen war nun keine Spur mehr von der Milde zu entdecken, mit der er zuvor das Dreirad im Garten betrachtet hatte, und das allein genügte, um Yayoi das Blut in den Adern gefrieren zu lassen. Aber es sollte erst der Anfang gewesen sein.
Abends kurz nach zehn trafen zwei Kriminalbeamte ein, deren Blicke deutlich anderen Kalibers waren als die von Iguchi. Einer war von der Abteilung Eins der Kripo des Musashi-Yamato-Reviers, der andere vom Dezernat Eins des Tōkyōter Polizeipräsidiums.
»Kinugasa mein Name, ich komme vom Präsidium«, stellte sich der eine vor und zeigte ihr seinen in schwarzes Leder gebundenen Polizeiausweis. Er war Ende vierzig und jugendlich gekleidet, in einem ausgeblichenen schwarzen Polohemd von Lacoste und einer Baumwollhose, aber mit seiner gedrungenen Gestalt, dem Stiernacken und dem Bürstenhaarschnitt hätte er auf den ersten Blick auch als Mitglied einer Yakuza-Bande durchgehen können. Yayoi wusste nicht, was »Präsidium« zu bedeuten hatte oder womit sich das Dezernat Eins beschäftigte, aber es reichte schon, diesem rauen Gesellen gegenüberzustehen, um sie in Angst und Schrecken zu
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