Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out
Schrecken daran, wie sie ihr heute Nacht gegenübertreten sollte, wenn sie gleich völlig außer sich hier eintreffen würde. Vielleicht war es sogar teilweise dem Hass auf diese Frau zu verdanken, dass ihre Liebe zu Kenji auf so schreckliche Weise erkaltet war. Wie oft hatte sie gedacht: Kein Wunder, bei dieser Mutter! Auch früher schon... Yayoi verlor sich in Gedanken, die von Kinugasa unterbrochen wurden:
»Wieso mochten denn Ihre Eltern Ihren Mann nicht besonders?«
»Tja...« Yayoi legte den Kopf schief und zögerte mit der Antwort. »Schwer zu sagen – vielleicht, weil ich ihre einzige Tochter bin und sie meine Heirat idealisiert haben?«
»Ja, da mag einiges dran sein, Sie sind schließlich eine Schönheit, Frau Yamamoto.«
»Nein, damit hat das nichts zu tun.«
»So? Womit dann, was meinen Sie?«
Plötzlich war Kinugasa in einen väterlichen Ton verfallen. Es klang wie: Nun sag schon, mein Kind, heraus mit der Sprache, mir kannst du doch alles anvertrauen! Yayoi fühlte sich allmählich immer unwohler in ihrer Haut. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass man ihr derlei persönliche Fragen stellte. Sie würden bohren und bohren, bis sie alles über das Ehepaar Kenji und Yayoi ans Tageslicht gezerrt hätten, um es sich dann zurechtzubiegen, wie sie wollten, und nach eigenem Gutdünken zu beurteilen.
»Nun ja. Vor unserer Hochzeit hat mein Mann gerne gewettet, bei Pferderennen, Radrennen und so. Deswegen hat er wohl auch einmal Schulden gemacht, aber nur für ganz kurze Zeit, wirklich. Jedenfalls haben meine Eltern davon gehört und waren gegen die Ehe mit ihm. Aber als er mich kennen lernte, hat er sofort damit aufgehört.«
Als das Wort »wetten« fiel, tauschten die beiden Männer einen kurzen Blick aus. Dann fragte Kinugasa mit Nachdruck: »Und wie war das in letzter Zeit?«
Yayoi war verwirrt. Sollte sie das mit dem Bakkarat erwähnen
oder besser nicht? Hatte Masako ihr verboten, davon zu erzählen? Sie konnte sich nicht erinnern. Sie hatte Angst, dass mit dem Bakkarat auch herauskäme, dass Kenji sie geschlagen hatte. Yayoi presste die Lippen aufeinander.
»Kommen Sie, sagen Sie es ruhig, das ist doch nicht schlimm, nur heraus damit!«
»Ja, also...«
»Er hat wieder damit angefangen, Ihr Mann, nicht wahr, Frau Yamamoto?«
»Ja, vielleicht. Er hat irgendetwas von Bakkarat gesagt.«
Die Luft war zum Zerreißen gespannt, der Schreck fuhr ihr in die Glieder. Yayoi zuckte zusammen. Sie konnte natürlich noch nicht wissen, dass diese Aussage sie auf wundersame Weise retten würde.
»Aha, Bakkarat. Haben Sie eine Ahnung, wo er das gespielt haben könnte?«
»Ich meine, er hätte einmal von Shinjuku gesprochen«, antwortete Yayoi mit ersterbender Stimme.
»Na also. Vielen Dank. Wirklich, ich danke Ihnen, dass Sie uns das alles anvertraut haben. Wir werden den Mörder Ihres Mannes finden, bestimmt!«
»Könnte ich meinen Mann nicht vielleicht noch einmal sehen?«, brachte Yayoi zögerlich heraus. Die Befragung schien sich dem Ende zu nähern, und weder Imai noch Kinugasa hatten diesen Punkt bisher angesprochen.
»Eigentlich wollten wir den Bruder Ihres Mannes bitten, die Leiche zu identifizieren. Ich halte es für besser, wenn Sie ihn nicht noch einmal sehen müssten«, sagte Kinugasa bedächtig, holte aber unterdessen einen Umschlag aus seiner abgewetzten Aktentasche hervor. Daraus nahm er einige Schwarzweißfotos im Oktavformat, fächerte sie vor sich auf wie Spielkarten, so dass Yayoi sie nicht einsehen konnte, zog eines heraus und legte es auf den Tisch. »Begnügen Sie sich erst einmal damit, wenn Sie ihn unbedingt noch einmal sehen möchten.«
Ängstlich nahm Yayoi das Foto in die Hand. Zu sehen waren darauf Plastikbeutel und matschige Fleischklumpen. Darunter konnte sie einen Teil von Kenjis Hand erkennen. Die Finger waren nur noch abgeschabte, schwarzrote Stumpen.
»Ah!« Für einen Augenblick verspürte sie Hass auf Masako und die beiden anderen. Das ging zu weit, wie hatten sie ihn so zurichten können! Das war ja entsetzlich! Sie wusste, dass diese Gedanken ungerecht waren, weil sie selbst Kenji umgebracht und Masako gebeten hatte, ihn zu entsorgen. Trotzdem überwältigte sie beim Anblick dieser Fleischklumpen, die von Kenji übrig geblieben waren, eine unbändige Woge von Wut. Sofort lief ihr ein Schwall von Tränen die Wangen herunter, und Yayoi ließ sich mit dem Gesicht auf die Tischplatte fallen.
»Es tut mir Leid, Frau Yamamoto.« Kinugasa sprach tröstend auf sie ein und
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