Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out
die hochgekrempelten Ärmel seines weißen Hemds herabstreifte. Seine Fliege saß schief, und die schwarze Hose war völlig zerknittert.
Satake, der unordentliche Kleidung verabscheute, packte Chén unwirsch am Kragen. »He, pass gefälligst auf, wie du rumläufst!«
»Ja, soll nicht wieder vorkommen, entschuldigen Sie.« Lì-huá, die »Mama-san«, kam aus der Küche auf ihren schlecht gelaunten Chef zugeeilt. Heute trug sie ein schwarzes Kleid und eine Perlenkette. Satake verzog angesichts dieser Trauerkleidung das Gesicht. Sie sah ja aus wie auf dem Weg zu einer Beerdigung!
»Ah, guten Abend, Satake-san! Es ist so heiß heute, da sind wir wohl alle etwas derangiert.«
»›Derangiert‹, was soll das denn heißen? Haben Sie auch die Stammkunden antelefoniert, Lì-san? Als ob es niemanden gäbe,
der heute Abend eine Begleitung will! Unglaublich!« Satake ließ seine Blicke erneut durch den Club schweifen, und als ihm die Vasen ins Auge fielen, in denen die Blumen wieder einmal dahinwelkten, riss ihm endgültig der Geduldsfaden: »Die Blumen! Verdammt noch mal, wie oft muss ich das denn sagen!«
Satake, der seinen Mitarbeitern stets mit seiner Ruhe und Unnahbarkeit Respekt einflößte, war an diesem Abend kaum wiederzuerkennen. Bestürzt über die wutentbrannte Miene seines Chefs, hastete Chén auf die große Kristallvase zu, die ihm am nächsten stand. Die türkischen Prachtglocken darin ließen traurig die Köpfe mit den violetten Blüten hängen. Die Hostessen schauten schweigend von der Vase auf Satake und wieder zurück.
Lì-huá, in dem Bemühen, Satakes Laune zu besänftigen, sagte: »So, Kinder, ihr habt es gehört: Von jetzt an strengen wir uns alle an, verstanden!«
»Ja, bildet ihr euch denn ein, die Gäste kämen vom Rumsitzen und Däumchen Drehen?! Ungeheuerlich, diese Hochnäsigkeit! Bewegt eure Hintern gefälligst raus auf die Straße und lockt die Leute herein!«
»Das werden wir!«, antwortete Lì-huá mit höflichem Lächeln, aber sie sah nicht so aus, als würde sie sich bei dieser Hitze allzu bald in Bewegung setzen. Während er sich bemühte, seine Wut zu unterdrücken, sah sich Satake noch einmal im Club um. Irgend etwas fehlte. Da fiel ihm auf, dass Anna nicht da war.
»He, wo ist denn Anna?«
»Ach, ja, Anna-chan. Nun, sie kommt heute nicht.«
»Und wieso nicht?«
»Sie hat eben angerufen und gesagt, dass ihr von der vielen Sonne im Freibad schlecht geworden ist.«
»So was! Na, da kann man nichts machen. Ich fahr gleich mal hin und schau nach, wie es ihr geht.«
»Ja, tun Sie das«, antwortete Lì-huá erleichtert, und damit löste sich auch die Spannung im Raum. Satake verbiss sich den Ärger und verließ das »Mika«.
Sofort hüllte ihn die schwüle Nacht von Kabuki-chō ein. Die Sonne war lange untergegangen, aber Temperatur und Luftfeuchtigkeit waren kaum gesunken, so dass das gesamte Viertel in einer riesigen Sauna zu stecken schien – wie ein verdreckter alter Mann,
in dessen Körper sich die Hitze staute, weil seine Poren sich nicht öffneten und er nicht schwitzen konnte. Satake seufzte tief und stieg viel langsamer als sonst die Außentreppe hoch. Im Club ließ die Disziplin nach; er musste etwas dagegen unternehmen.
Kunimatsu bemerkte ihn sofort, als er die Tür zum »Parco« aufdrückte, und kam auf ihn zugelaufen. Satake grüßte ihn mit gedämpfter Stimme und sah mit Erleichterung an den Spieltischen einige Firmenangestellte sitzen.
»Guten Abend, Satake-san. Sie sind früh heute«, sagte Kunimatsu und schaute dann erschrocken an ihm herab. Satake folgte seinem Blick und bemerkte die Schweißflecken, die sich auf seinem silbergrauen Jackett gebildet hatten. Er zog es aus. Das schwarze Seidenhemd darunter war vollkommen durchnässt und klebte an seiner muskulösen Brust.
»Ist es denn so heiß hier drinnen?«, erkundigte sich Kunimatsu besorgt, als er das Jackett entgegennahm.
»Nein, überhaupt nicht, es ist angenehm so.«
Schwer atmend holte Satake seine Zigaretten heraus. Ein junger Croupier, der auf seinen Einsatz wartete und sich die Zeit mit Training am regulären Bakkarat-Tisch vertrieb, verzog ein wenig das Gesicht, als er Satakes verschwitztes Hemd sah. Satake gefiel sein Blick nicht.
»Wie heißt der Neue da drüben?«
»Yanagi.«
»Er soll gefälligst darauf achten, wie er die Gäste anschaut; wir sind schließlich ein Service-Unternehmen, sagen Sie ihm das!«
»Ja.«
Angesichts von Satakes ungewöhnlich schlechter Laune zog Kunimatsu sich
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