Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out
eines Spielsalons beschuldigt, aber man hielt ihn nun schon zwei Wochen in Untersuchungshaft fest, und jetzt tauchte plötzlich jemand vom Dezernat Eins auf, noch dazu einer vom Präsidium. Doch auch wenn ihn diese Tatsache sicherlich beunruhigte, nahm er zu diesem Zeitpunkt alles noch eher auf die leichte Schulter. »Verraten Sie mir doch bitte, was ich mit dem Dezernat Eins zu tun haben soll!«
»Es geht um einen Mordfall mit zerstückelter Leiche.«
Kinugasa rieb ein Hundert-Yen-Feuerzeug an der Brust seines schwarzen Polohemds, auf dessen verwaschenem Pikeejersey-Stoff sich weißliche Noppen gebildet hatten. Dann zündete er sich mit dem Feuerzeug eine Hi-lite an und inhalierte genüsslich, während er beobachtete, wie Satake reagierte.
»Zerstückelt, sagen Sie?«
»Guck an, da wird er ganz bleich!«
Satake trug ein blaues Hemd, das Lì-huá für ihn abgegeben hatte. Er mochte die Farbe nicht, doch sein schwarzes Seidenhemd war völlig verschwitzt, deshalb war er froh, dass er überhaupt etwas zum Wechseln bekommen hatte. Allerdings war das blaue Hemd nicht eben vorteilhaft für seinen Teint, es machte ihn blass. Satake lachte. »Nein, gar nicht, Sie irren sich.«
»Was soll denn das heißen? Jetzt fängt er auch noch zu lachen an! Die Sorte hab ich besonders gern, lacht und redet sich aus allem heraus!« Kinugasa tat empört und wandte sich mit einem Achselzucken dem neben ihm sitzenden Beamten vom Shinjuku-Revier zu. Der grinste nur gequält, weil ihm das Heft aus der Hand genommen worden war.
»Du bist wohl so sehr an den Knast gewöhnt, dass dich gar nichts mehr aus der Ruhe bringt, was?«
»Nun mal langsam, schön der Reihe nach. Sagen Sie mir endlich, worum es geht!« Satake wurde nervös. Das Ganze war ihm nicht mehr geheuer, ihn befiel eine diffuse Angst. Da hatte er sich die ganze Zeit eingebildet, die Aktion ziele auf sein gut gehendes Spielkasino – nach dem Motto: Nägel, die herausstehen, werden
eingeschlagen -, aber es ging gar nicht darum, ihm das Geschäft kaputtzumachen. Entsetzt wurde ihm erst jetzt klar, dass die Razzia vom Dezernat Eins angezettelt worden war. Aufgrund irgendeines abstrusen Missverständnisses hatte man ihm Fallstricke gelegt und war nun drauf und dran, ihn zu Boden gehen zu lassen. Es würde kein Leichtes sein, sich wieder aufzurichten, wenn seine Füße erst im Treibsand steckten, das wusste er nur zu gut.
»Gut, Satake, wenn man dich unbedingt mit der Nase draufstoßen muss: Es geht um einen Gast, der in deinen Etablissements verkehrte, sein Name ist Kenji Yamamoto. Er ist das Mordopfer. Na, erinnerst du dich jetzt?«
»Ich kenne keinen Kenji Yamamoto.«
Satake drehte den Kopf zur Seite. Vom Fenster des Verhörraums im Polizeirevier Shinjuku aus konnte man die Wolkenkratzer auf der Westseite des Bahnhofs und dazwischen Streifen blauen Himmels sehen. Das weiße Sonnenlicht blendete. Satake schloss die Augen. Gleich hier um die Ecke war seine Wohnung. Was hätte er darum gegeben, in das Dämmerlicht seiner vier Wände abtauchen zu können!
»Und was ist hiermit? Hilft dir das vielleicht auf die Sprünge?« Kinugasa zog ein graues Herrenjackett aus der zerknitterten Kaufhaustüte in seiner Hand. Satake entfuhr ein Ausruf des Erstaunens, als er es sah, denn es handelte sich um das Kleidungsstück, das ihm Kunimatsu in der Nacht der Razzia gezeigt hatte. Und Satake hatte ihn angewiesen, es wegzuwerfen.
»Ja, das kenne ich. Ein Gast hat es bei uns liegen lassen...« Satake schluckte. Sicher, Yamamoto! Dieser Idiot hatte sich also ermorden lassen! Da fiel ihm wieder ein, dass er den Namen Yamamoto in der Zeitung und im Fernsehen gesehen hatte – im Zusammenhang mit dem Fund einer zerstückelten Leiche. Das war schlecht, sehr schlecht sogar.
Die beiden Kripobeamten beobachteten ihn mit spöttischen, schadenfrohen Augen. »Na, Satake, willst du uns nicht verraten, was mit deinem Gast passiert ist?«
»Das weiß ich nicht.« Satake schüttelte den Kopf.
»Das weißt du nicht? Wirklich nicht?«, sagte Kinugasa in weibischem Tonfall und grinste.
Was für ein Widerling! Satake schoss das Blut in den Kopf, sein
Hirn war wie gelähmt. Aber er beherrschte sich. Seit seiner Entlassung hatte er schließlich kein einziges Mal die Selbstkontrolle verloren. »Ich weiß es wirklich nicht.«
Kinugasa schlug das Notizbuch auf, das er aus seiner ausgebeulten Gesäßtasche gezogen hatte, und sah es in aller Ruhe durch. »Mehrere Zeugen haben übereinstimmend ausgesagt, dass du
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