Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out
Entscheidung geäußert. Und Nobuki redete seither kein Wort mehr.
»So?« Imai legte den Kopf schief, um auszudrücken, wie unbegreiflich ihm das alles war, und klappte sein Notizbuch auf. »Im Hause des Opfers scheint es ja ähnlich gewesen zu sein, aber mich wundert es ehrlich gesagt sehr, dass ein normaler Angestellter wie Ihr Mann nichts dagegen hat, wenn seine Frau zur Nachtschicht geht!«
Masako hob perplex den Kopf, so wenig konnte sie mit Imais Äußerung anfangen: »Warum sollte er?«
»Na, zunächst einmal, weil dadurch das ganze Leben auf den Kopf gestellt wird. Man bekommt sich ja kaum noch zu Gesicht, redet nicht mehr miteinander, lebt aneinander vorbei. Außerdem: Weiß man denn, was die Frau in Wirklichkeit macht, wenn sie sagt, sie geht zur Arbeit? Da liegt es doch auf der Hand, dass einem als Ehemann eine normale Stelle tagsüber lieber wäre!«
Masako stutzte, aber dann ging ihr auf, in welche Richtung sich die Fantasie des Kriminalbeamten bewegte: Imai verdächtigte Yayoi, eine Beziehung zu einem anderen Mann zu haben. Ja, das leuchtete ein. »Falls es das ist, was sie interessiert: Yayoi hatte früher eine Teilzeitstelle tagsüber, aber man hat ihr aufgrund der kleinen Kinder gekündigt. Deshalb blieb ihr gar keine andere Wahl als die Nachtschicht. So hat sie selbst es zumindest geschildert.«
»Das ist mir bereits bekannt. Ich habe mich nur gefragt, welchen anderen Vorteil Nachtarbeit noch haben könnte, für den man die damit verbundenen Nachteile in Kauf nehmen würde.«
»Keinen, denke ich«, sagte Masako und brach ab. Imais hartnäckige
Uneinsichtigkeit ärgerte sie allmählich, aber das wollte sie sich auf keinen Fall anmerken lassen. »Wenn überhaupt, dann nur den, dass man fünfundzwanzig Prozent mehr Stundenlohn bekommt.«
»Das ist alles?«
»Das sagen Sie so, aber wenn man sich für dasselbe Geld drei Stunden dieser stupiden Arbeit sparen kann, ist das ohne Frage ein Vorteil, glauben Sie mir. Zeit ist kostbar, man darf sie nicht sinnlos vertun.«
»Das mag sein, aber...« Imai schien sich immer noch nicht zufrieden geben zu wollen.
»Vielleicht können Sie das nicht nachvollziehen, weil Sie noch nie in Teilzeit gearbeitet haben?«
»Nein, natürlich nicht, ich bin schließlich ein Mann«, antwortete Imai mit vollem Ernst.
»Wenn Sie einmal einen solchen Job machen würden, hätten Sie bald begriffen, dass es ganz selbstverständlich ist, sich darum zu bemühen, für möglichst wenig Arbeit einen möglichst hohen Stundenlohn zu bekommen, und sei der Unterschied noch so gering.«
»Selbst, wenn man dafür die Nacht zum Tag machen muss?«
»Ja, selbst dann.«
»Tja, wenn Sie das sagen... Warum wollte Frau Yamamoto denn überhaupt so unbedingt arbeiten gehen?«
»Damit es zum Leben reicht, nehme ich an.«
»Heißt das, mit dem Lohn ihres Mannes allein wären sie nicht ausgekommen?«
»Ich weiß es nicht genau, aber ich glaube ja.«
»Aber war es nicht vielmehr so, dass ihr Mann sich bestimmte Ausschweifungen leistete und sie ihn deshalb ärgern oder vielleicht gar nicht mehr sehen wollte, dass es ihr also nicht allein um das Geld ging?«
»Davon ist mir nichts bekannt«, sagte Masako entschieden. »Sie hat mir nichts dergleichen erzählt, zumindest nichts, was diese Interpretation zuließe.«
»Welche Interpretation meinen Sie?«
»Nun, etwas, das, wie Sie vermutet haben, auf Boshaftigkeit gegen ihren Mann oder dergleichen hingedeutet hätte. Sie hat sich
immer ordentlich um die Kinder gekümmert und ordentlich gearbeitet.«
Imai nickte. »Ich bin da wohl etwas zu weit gegangen, entschuldigen Sie. Aber wir haben nun mal herausgefunden, dass Herr Yamamoto die gesamten Ersparnisse des Ehepaares ausgegeben hat.«
Masako tat überrascht, so als hörte sie das zum ersten Mal. »Ist das wirklich wahr? Aber wozu denn nur?«
»Unseren bisherigen Recherchen zufolge hat er das Geld für Bar- und Spielsalonbesuche verbraucht. Ich frage Sie jetzt ganz offen, Frau Katori, da Sie offenbar Frau Yamamotos engste Vertraute in der Fabrik sind: Wie war das Verhältnis der Eheleute Yamamoto zueinander?«
»Das kann ich Ihnen aus dem einfachen Grund nicht sagen, weil sie darüber nie mit mir gesprochen hat.«
»Aber wie ist das möglich, wo Frauen doch immer so viel miteinander reden und sich gerne über ihre Männer beklagen!«, verschärfte Imai den Ton und sah sie misstrauisch an.
»Das kommt ganz auf den Typ an, glaube ich. Und sie gehört bestimmt nicht zu dieser
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