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Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out

Titel: Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natsuo Kirino
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Satake hätte sich beglückwünscht zu sehen, wie stolz sie auf diese neue Facette ihrer Schönheit war.
    Am selben Abend stand plötzlich Lì-huá vor Annas Wohnungstür: »Ich muss mit dir reden, Anna-chan. Es ist wichtig.«
    »Was ist passiert?«
    »Es geht um Satake-san. Sieht so aus, als würde es sich noch länger hinziehen, bis er wieder freikommt.« Lì-huá redete Hochchinesisch mit Anna. Sie kam aus Taiwan und konnte kein Shanghai-Chinesisch.
    »Aber warum denn?«
    »Tja, das ist ja, was ich dir sagen will. Man hat ihn offenbar nicht nur wegen der Glücksspiel-Geschichte verhaftet. Ich habe es selbst eben erst erfahren, als ich aufs Revier musste, um meine Aussage aufnehmen zu lassen: Er scheint in den Mordfall mit der zerstückelten Leiche verwickelt zu sein!«
    »Was heißt ›zerstückelte Leiche‹?« Anna verscheuchte den Hund, der ihr aufgeregt um die Füße sprang. Lì-huá zündete sich eine Zigarette an und sah ihr forschend ins Gesicht.
    »Ja, weißt du denn wirklich noch nichts davon? Vor ungefähr drei Wochen hat man eine zerstückelte Leiche gefunden. Und soll ich dir verraten, wer da ermordet worden ist? Einer unserer Kunden – dieser Yamamoto, erinnerst du dich?«
    Anna war entsetzt. »Yamamoto? Meinen Sie den Yamamoto, der immer so hinter mir her war?«
    »Genau den. Wir sind alle ziemlich verblüfft darüber.«
    »Aber wie ist das möglich? Ich kann das kaum glauben...« Yamamoto hatte immer nur Anna an seinen Tisch gerufen und war dann keine Sekunde von ihrer Seite gewichen. Er hatte ihre Hand gehalten, kaum dass sie ihm gegenübersaß, und wenn er betrunken war, hatte er sie auch manchmal aufs Sofa zu sto ßen versucht. Aber es war nicht seine Zudringlichkeit gewesen, die Anna beunruhigt hatte. Yamamoto hatte sich einsam gefühlt, das war unverkennbar gewesen, sie hatte es sofort gespürt. Anna ließ sich auf viel ein, solange die Gäste Vergnügen suchten und
alles ein Spiel blieb, aber einsame Männer konnte sie nicht gebrauchen. Deshalb war sie froh gewesen, als er nicht mehr aufgetaucht war, und hatte ihn längst aus ihrem Gedächtnis gestrichen.
    »Die Polizei wird sicher auch bald bei dir auftauchen. Am besten, du ziehst so schnell wie möglich hier aus!«, sagte Lì-huá, während sie sich in Annas kostspielig eingerichtetem Apartment umsah, als wolle sie seinen Wert abschätzen.
    »Warum denn das?«
    »Sie glauben, Satake-san hätte Yamamoto umgebracht, weil er ein so lästiger Kunde war. Und dann hätte er die chinesische Mafia damit beauftragt, die Leiche auseinander zu nehmen.«
    »So etwas würde O-nii-chan doch niemals tun!«
    »Aber er soll ihn vor dem ›Parco‹ zusammengeschlagen haben.«
    »Das weiß ich, davon habe ich auch gehört, aber... mehr ist da nicht gewesen.«
    »Du weißt ja noch nicht alles«, sagte Lì-huá und senkte die Stimme. »Satake-san hat eine Frau umgebracht.«
    Anna stockte der Atem. Ihre Kehle war plötzlich wie ausgetrocknet. Sie versuchte Speichel zu schlucken, aber es gelang ihr nicht.
    »Und zwar nicht etwa auf herkömmliche Weise. Ich war wirklich entsetzt, als ich davon erfahren habe, das kannst du mir glauben. Ich denke, die Mädchen werden sofort alle kündigen vor Angst, wenn es ihnen zu Ohren kommen sollte.«
    »Wie hat er die Frau denn umgebracht?« Anna war, als sähe sie auf dem Grund von Satakes Sumpf ein gespenstisches Licht aufglimmen.
    »Satake-san muss früher für einen berühmt-berüchtigten Yakuza aus der Gegend hier gearbeitet haben, als Leibwächter oder dergleichen. Die Geschichte ist schon ziemlich lange her, und der Mann soll längst tot sein. Er war Chef eines Syndikats, das sein Geld mit Prostitution und dem Vertrieb von Amphetaminen verdiente. Satake-san hatte dort die Aufgabe, flüchtige Prostituierte zurückzuholen und ausstehende Schulden einzutreiben. Eines Tages hatte sich wieder einmal eine der Frauen abgesetzt, und zwar mit Hilfe einer gewieften Unterhändlerin aus dem Rotlichtmilieu,
die sie heimlich an ein anderes Bordell vermittelt hatte. Satake-san bekam diese Unterhändlerin zu fassen. Er soll sie in ein Zimmer eingeschlossen und dort zu Tode gequält haben – richtiggehend gefoltert haben muss er sie, bis sie tot war.«
    »Zu Tode gequält... was meinen Sie damit?« Anna konnte das Zittern in ihrer Stimme nicht überspielen. Sie erinnerte sich an die Reise nach Nanking, die sie als Kind zusammen mit der Familie unternommen hatte, an den schrecklichen Anblick der Puppen im dortigen Kriegsmuseum, mit denen

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