Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out

Titel: Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natsuo Kirino
Vom Netzwerk:
gleich die nächste fällig? In zwei Tagen, wenn mich nicht alles täuscht. Noch acht Mal fünfundfünfzigtausendzweihundert Yen. Das geht doch in Ordnung, nicht wahr?«
    Da erst fiel es Kuniko wieder siedend heiß ein, dass sie ja absolut blank war. Sie fuhr sich noch einmal mit der Zunge über die Lippen. Aber da war keine Sahne mehr, die sie ablecken konnte. »Und was ist der Beweis dafür, dass Sie mir wirklich sämtliche Schulden erlassen?«
    »Den habe ich hier bei mir, einen Moment.« Jūmonji griff in das Necessaire auf seinem Schoß und zog ein zusammengefaltetes Papier heraus: Kunikos Kreditvertrag. »Ich werde ihn hier vor Ihren Augen zerreißen.«
    Sofort neigte sich Kunikos innere Waage mit Schwung hin zu der Schale »Schulden erlassen«. Wenn ich Jūmonji nicht mehr bezahlen muss, habe ich das Geld von Yayoi ganz für mich alleine, dachte sie – und schon war es um Kuniko geschehen: »Gut, ich erzähl’s Ihnen.«
    »Ach, da bin ich aber froh!« Jumonji lächelte, aber seine Stimme blieb ernst.
    Danach ging alles wie von selbst. Während Kuniko in aller Ausführlichkeit schilderte, wie sie hereingelegt worden war, stellte sie mit Befriedigung fest, dass nun endlich die Gelegenheit gekommen war, sich an Masako und Yayoi zu rächen. Mögliche Konsequenzen lagen noch in weiter Ferne. Kuniko genoss die vergnüglichen Seiten des Lebens immer sofort – alles Unangenehme ließ sich wunderbar aufschieben.

2
    Jūmonji saß auf der Bank des kleinen Spielplatzes vor der Mietskaserne. Er steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen und merkte, dass seine Hand leicht zitterte, als er sein Feuerzeug aus der Hosentasche zog. Er grinste gequält, nahm es fest in die Hand und zündete sich die Zigarette an. Nach einem tiefen Zug schaute er an der Mietskaserne hoch, bis er Kunikos Balkon ausgemacht hatte. Er sah den Außenmotor der Klimaanlage und etliche schwarze Plastikbeutel, in denen sich offensichtlich Müll befand.
    »Hausmüll also...«
    Vor ihm auf dem Platz spielte eine Gruppe von etwa zehn Jungen und Mädchen in der Abenddämmerung »Wer hat Angst vorm schwarzen Mann«. Die Kinder waren aufgekratzt, vielleicht, weil es bald Zeit war, nach Hause zu müssen, oder weil sie traurig waren, dass die Sommerferien sich dem Ende neigten, oder weil sie bereits ihr bevorstehendes Schicksal ahnten, das Paukerei hieß und sie von einer Prüfung zur nächsten hetzen würde – sie rannten jedenfalls mit erhitzten, hochroten Gesichtern wie um ihr Leben. Sand wirbelte auf, und ihre spitzen Schreie dröhnten Jûmonji in den Ohren. Als würde ihm diese jungendliche Energie hart zusetzen, lehnte er schlaff in der Bank und konnte sich eine ganze Weile nicht rühren.
    Er war immer noch aufgewühlt durch das, was er soeben von Kuniko erfahren hatte. Nicht allein aus Entsetzen darüber, dass das, was er zwar geahnt, aber nie für möglich gehalten hatte, voll und ganz der Wahrheit entsprach. Schockiert hatte ihn vielmehr die Tatsache, dass Masako Katori im Zentrum der Ereignisse stand. Er gab sich zwar alle Mühe, ein Ganove zu sein, aber wenn es darum ginge, eine Leiche verschwinden zu lassen, würde ihn wohl der Mut verlassen. Geschweige denn, sie zu zerstückeln! Vor Masako, die das alles bis zum Ende durchgezogen hatte, verspürte er fast so etwas wie Ehrfurcht. Diese Bohnenstange von einem Weib hatte verdammt viel Mumm bewiesen! Keinen Augenblick hielt Jūmonji das, was sie getan hatte, für ein völlig verrücktes, kopfloses Unterfangen. Für ihn hatte Masako einfach Klasse.
    Die Zigarette in seiner Rechten war so weit heruntergebrannt, dass ihre Glut ihm fast die Finger angesengt hätte. Jūmonji hielt
sie für die Flamme des Schicksals, die ihn wachrütteln sollte. Er wollte auch solche verwegenen Sachen mit Klasse machen. Und er wollte Geld verdienen. Er hasste es, im Team zu arbeiten, aber mit Masako würde das in Ordnung gehen. Weil er ihr vertraute.
    Vor einigen Jahren hatte er Masako einmal zufällig zur Mittagszeit in einem Café neben der Spar- und Darlehenskasse entdeckt. Das Café war überfüllt, alle Tische waren besetzt. Die meisten Gäste waren Angestellte des Kreditinstituts. Fast alle sahen sich gezwungen, mit anderen an einem Tisch zu sitzen, auch wenn sie nichts miteinander zu tun hatten. Nur Masako saß alleine an einem Fenstertisch mit vier Sitzplätzen, was ihn gewundert hatte. Erst später hatte er erfahren, dass Masako gemobbt wurde.
    Damals hatte Masako sich nicht im Geringsten durch die

Weitere Kostenlose Bücher