Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out
müsste mindestens Hermès tragen und so weiter, aber der wirklich modebewusste Mann wählt so etwas hier.«
»Ja, der Anzug steht Ihnen ausgezeichnet.«
Soga war bester Laune. »Dein Hawaii-Hemd ist aber auch nicht schlecht. Vintage-Mode, was?«
»Ach wo, aus dem Jeansladen bei mir um die Ecke.«
»Na, mit deinem Adonis-Gesicht kannst du ja auch tragen, was du willst, die Frauen liegen dir so oder so zu Füßen, wie?«, scherzte Soga.
»Sie bringen mich in Verlegenheit...« Von Soga ins Gespräch verwickelt, kam Jūmonji nicht dazu, sein Anliegen vorzubringen.
Da wechselte Soga unvermutet das Thema. »Hast du Love & Pop von Ryū Murakami 7 gelesen, Akira?«
»Nein, wieso?«, erwiderte Jūmonji verblüfft und schüttelte den Kopf. »Worum geht’s denn da? So was lese ich gar nicht.«
»Schade. Kann ich dir nur empfehlen. Der Kerl liebt die Frauen, so viel steht fest.« Soga drückte seine Zigarette aus und nahm einen Schluck von seinem Cocktail, einer Studie der Farbe Pink in mehreren Abstufungen.
»Aha. Und das erfährt man aus dem Buch?«
»Sicher. Der Bursche hat ein Faible für Oberschülerinnen.«
»Oh. Über so etwas schreibt er einen Roman?«
»Ja, das ist die Geschichte.« Soga trommelte sich mit seinen dünnen Fingern auf der Lippe herum.
»Dann sollte ich ihn vielleicht doch mal lesen. Oberschülerinnen mag ich auch ganz gern.«
»Quatsch, doch nicht die Art von Mögen! Ich meine, er begibt sich auf ihren Horizont. Oder anders ausgedrückt, er betrachtet sie nicht von einer fremden Warte aus.«
Jūmonji hatte keine Ahnung, wovon Soga da redete, und blickte in seiner Verzweiflung zu Boden. Ihm war völlig entfallen, dass Soga so gerne las.
»Ah, so meinen Sie das, interessant.« Der Gin Tonic wurde ihm serviert, und er griff danach wie nach einem Rettungsring. Er fischte die halbmondförmige Limonenscheibe heraus und legte sie auf den Untersetzer. Dann beugte er sich vor und schlürfte von der kalten Flüssigkeit.
»Kann man wohl sagen. Ich hab mir quasi eine goldene Regel für’s Bücherlesen gemacht, weißt du.«
»Aha …«
»Ja. Ich meine, ob die Geschichte Ähnlichkeit mit meinem Geschäft hat oder nicht. Daran messe ich den Wert eines Romans.«
»Und das bedeutet…?« Durstig trank Jūmonji seinen Gin Tonic im Nu aus. Missbilligend schaute Soga ihm dabei zu und fuhr fort:
»Es kommt darauf an, ob man besteht oder nicht. Genau wie in unserem Geschäft.«
»Wie meinen Sie das?«
»Nehmen wir Ryū Murakami oder die Oberschülerinnen. Sie hassen ihre Väter. Wir haben mit unserer Arbeit auch nur aus Hass auf unsere Väter beziehungsweise auf unser Vaterland Japan angefangen,
ist es nicht so? Ich meine, wir sind doch alle verlorene Söhne und Töchter, Außenseiter am Rande der Gesellschaft, oder stimmt das etwa nicht? Na, was denkst du?«
»Kann schon sein...«
»Ach was, natürlich sind wir das, wir sind verlorene Söhne der Gesellschaft!« Soga wurde laut. »Sieh dich doch an: Du hast dich schon allein dadurch hinauskatapultiert, dass du in der Mittelschule in Adachi in unsere Gang eingetreten bist. Und jetzt bist du ein Kredithai und ich ein Yakuza. Wir waren Außenseiter und sind Außenseiter geblieben. Oder anders ausgedrückt, unsere Väter haben uns für immer verdorben und aufgegeben. Aber das ist mit Ryū Murakami und den Oberschülerinnen ganz genauso, in dem Punkt ähneln wir uns. Wir haben Klasse. Verstehst du, was ich meine?«
Jūmonji blickte in Sogas bläulich gelbes Gesicht, das im schummrigen Barlicht noch fahler wirkte. Er würde sich dieses unverständliche Geschwafel wohl noch eine ganze Weile anhören müssen. Jūmonji war zwar froh, dass Soga so gute Laune hatte, aber mittlerweile waren ihm doch erhebliche Zweifel an der Durchführbarkeit seiner Idee gekommen. Er war sich nicht mehr sicher, ob er Soga überhaupt davon erzählen sollte. Und nicht nur das: Auch der Plan selbst kam ihm immer monströser vor.
»Was wolltest du denn mit mir besprechen, Akira?«, fragte Soga plötzlich in seine Gedanken hinein, als hätte er seine wachsende Unsicherheit genau gespürt. Jūmonji kam sich wie kurz vor der Flucht umzingelt vor.
»Nun ja, es handelt sich um eine ziemlich verrückte Idee, um ehrlich zu sein«, begann er widerstrebend.
»Kann man Geld damit machen?«
»Wenn sie überhaupt durchführbar ist, würde ich sagen ja. Das heißt, ich wünsche es mir. Aber ich kann es nicht beurteilen...«
»Jetzt hör schon auf, um den heißen Brei zu reden.
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