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Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out

Titel: Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natsuo Kirino
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Augenwinkel bildeten. »Ich habe gerade meine Stelle aufgegeben. Im Moment bin ich arbeitslos.«
    »Oh, das tut mir Leid.« Vielleicht ist sie ja doch ungefähr in meinem Alter, dachte Yayoi.
    »Nein, nein, muss es nicht, ich gönne mir den Luxus, wieder die Schulbank zu drücken.«
    »Ach, Sie studieren?« Vielleicht ging die Frage etwas zu weit, aber sie stellte sie trotzdem. In der Nachbarschaft gab es niemanden, mit dem sie unbekümmert reden konnte, und mit den Kolleginnen in der Fabrik ging das auch nicht mehr, ihnen lagen seit jener Sache die Nerven blank. Yayoi war froh über die Gelegenheit, einfach so mit jemandem, den sie nicht kannte, über ganz normale Dinge sprechen zu können.
    »Nein, wo denken Sie hin, nicht an der Universität! Ich habe angefangen, Färberei zu lernen, das wollte ich schon immer machen. Irgendwann möchte ich davon leben können.«
    »Dann halten Sie sich also jetzt mit Jobs über Wasser?«
    »Nein, ich will versuchen, zwei Jahre mit meinem Ersparten auszukommen. Dafür muss ich aber ganz schön knausern, wie Sie sehen«, erwiderte die Frau lachend, wobei sie sich wieder zu dem alten Apartmenthaus umsah. Es war noch ein Holzbau, berühmt für seine billigen Mieten, aber dementsprechend renovierungsbedürftig waren auch die Wohnungen.
    »Ah, verstehe. Mein Name ist Yamamoto, ich wohne in dem letzten Haus der Straße gleich hier um die Ecke. Wenn Sie noch irgendwelche Fragen oder Schwierigkeiten haben sollten, kommen Sie doch einfach bei mir vorbei.«
    »Das ist nett, vielen Dank. Ich heiße Morisaki. Also dann, auf gute Nachbarschaft«, verabschiedete sich Frau Morisaki mit ruhiger, unbeschwerter Stimme. Yayoi fragte sich, wie sie sich wohl verhalten würde, wenn sie wüsste, was mit Kenji passiert war.

    Am späten Nachmittag des folgenden Tages, als Yayoi gerade von einem Nickerchen aufgewacht und in die Küche gegangen war, um mit den Vorbereitungen für das Abendessen anzufangen, klingelte es an der Haustür.
    »Morisaki hier«, klang es vergnügt aus der Gegensprechanlage.
    Als sie zur Tür stürzte und aufmachte, stand Frau Morisaki mit einer Packung Kōshū-Trauben davor. Unauffällig gekleidet, dezent geschminkt und zurückhaltend, wirkte sie nach wie vor sehr sympathisch.
    »Ah, Sie sind es!«
    »Ich wollte mich nur noch einmal bedanken.«
    »Ach, das wäre doch nicht nötig gewesen, kommen Sie herein«, sagte Yayoi, nahm die Trauben entgegen und ließ Frau Morisaki ins Haus. Seit dem Vorfall hatte sie nur Besuch von Leuten gehabt, in deren Gegenwart sie sich nervös und angespannt gefühlt hatte: Kenjis und ihre eigenen Verwandten, Kollegen aus Kenjis Firma, Kuniko und die Polizei. Frau Morisaki war deshalb der erste Gast, über den sie sich freute, einfach weil sie sich frei und ungezwungen verhalten konnte.
    »Sie haben Kinder, nicht wahr?« Interessiert, als wäre es etwas Besonderes, sah sich Frau Morisaki die an der Wand hängenden Buntstiftmalereien und die im Flur herumliegenden Spielzeugautos an, während sie ins Wohnzimmer ging.
    »Ja, zwei Jungen. Sie sind noch im Hort.«
    »Ach, beneidenswert! Ich mag Kinder sehr, wissen Sie. Vielleicht kann ich demnächst mal mit ihnen spielen?«
    »Ja, von mir aus, wenn Sie möchten. Aber ich warne Sie, sie sind ziemlich wild – Jungen eben. Da kommt man ganz schön aus der Puste!«, sagte Yayoi lachend und bot ihr einen Stuhl an.
    Unbefangen setzte Frau Morisaki sich hin und sah Yayoi offen ins Gesicht. »Sie sind so schön, Frau Yamamoto, man sieht Ihnen gar nicht an, dass Sie schon zwei Kinder haben, wirklich, Sie wirken so jung und hübsch, mit diesem irgendwie jungenhaften Charme, wenn ich das sagen darf.«
    »Danke, Sie machen mich ganz verlegen.« Yayoi war ehrlich erfreut über die Komplimente von einer Frau, die anscheinend jünger war als sie. Vergnügt ging sie rasch Tee aufgießen und servierte
ihn zusammen mit den Weintrauben, die sie geschenkt bekommen hatte.
    Frau Morisaki nahm reichlich Zucker und fragte arglos: »Ist Ihr Mann bei der Arbeit?«
    »Mein Mann ist gestorben. Vor zwei Monaten«, antwortete Yayoi und deutete dabei in Richtung Schlafzimmer, wo sich der nagelneue buddhistische Totenaltar mit dem Bild von Kenji befand. Das zwei Jahre alte Foto zeigte Kenji in jugendlicher Frische: Er lachte in die Kamera, ohne etwas von seinem zukünftigen Schicksal zu ahnen.
    Frau Morisaki erbleichte und bat Yayoi um Verzeihung: »Entschuldigen Sie, das wusste ich nicht.«
    Die Arme tat Yayoi richtig Leid. »Das

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