Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out
zu erkundigen.
»Ach, Herr Kinugasa, verzeihen Sie, dass ich Ihnen solche Mühe mache.«
»Gibt es irgendetwas Neues, Frau Yamamoto?«
»Nein, nichts.«
»Gehen Sie schon wieder zur Arbeit in die Fabrik?«
»Ja, ich denke, es ist besser so, meine Kolleginnen sind da, und ich bin an die Arbeit gewöhnt. Ich möchte das nicht auch noch verlieren.«
»Ja, das kann ich verstehen«, erwiderte Kinugasa in einschmeichelndem Ton. »Dann lassen Sie also die Kleinen nachts wieder allein zu Haus?«
»Wie Sie das sagen, allein zu Haus...« Yayoi brach mitten im Satz ab, weil sie die unbewusste Feindseligkeit störte, die sie seinen Worten entnommen zu haben glaubte.
»Oh, verzeihen Sie. Aber was machen Sie denn nun, mit den Kindern, meine ich?«
»Ach, ich denke, das geht schon in Ordnung, wenn ich warte, bis sie fest eingeschlafen sind.«
»Aber Sie machen sich doch sicher Sorgen, dass es ein Feuer
oder ein Erdbeben geben könnte. Rufen Sie nur bei der Wache in Ihrer Nähe an, wenn etwas sein sollte.«
»Mache ich, vielen Dank!«
»Wie ich erfahren habe, soll Ihnen ja eine Versicherungssumme ausbezahlt werden, nicht wahr?« Kinugasa wollte erfreut klingen, aber Yayoi hörte den misstrauischen Unterton heraus, der sich hinter seinen Worten versteckte. Sie drehte sich zu Frau Morisaki um, um zu sehen, ob sie das Gespräch verfolgte, doch sie war aufgestanden und schien den Topf mit den vertrockneten, kümmerlichen Resten einer Prunkwinde draußen im winzigen Garten zu betrachten, die die Kinder im Hort eingepflanzt und dann mit nach Hause gebracht hatten.
»Ja. Ich wusste gar nicht, dass mein Mann über die Firma eine Lebensversicherung laufen hatte. Es war eine Überraschung, aber um ehrlich zu sein, bin ich froh darüber, es hilft mir sehr. Ich habe schließlich in Zukunft als allein erziehende Mutter zwei Kinder zu versorgen.«
»Ja, das ist wahr. Aber ich habe auch noch eine schlechte Nachricht für Sie. Der Besitzer des Spielkasinos ist verschwunden. Verständigen Sie mich daher bitte umgehend, wenn irgendetwas Ungewöhnliches sein sollte.«
»Was hat das zu bedeuten?« Zum ersten Mal wurde Yayoi laut. Sie drehte sich um zu Frau Morisaki, die sie erschrocken ansah.
»Was das zu bedeuten hat – nun, er hat sich plötzlich aus dem Staub gemacht, wir wissen nicht mehr, wo er sich aufhält. Das ist natürlich eine Blamage für die Polizei, aber wir tun im Moment alles Menschenmögliche, um ihm wieder auf die Spur zu kommen, keine Sorge.«
»Wenn Sie sagen, er hat sich aus dem Staub gemacht, heißt das denn, dass er wirklich der Täter ist?« Auf diese Frage antwortete Kinugasa nicht. Von jenseits seines Schweigens drangen die typischen Geräusche auf einem Polizeirevier zu ihr herüber: Männerstimmen, die durcheinander redeten, Telefonklingeln und so weiter. Ihr war, als könnte sie durch die Leitung hindurch sogar den Männerschweiß und den Zigarettenqualm riechen, der das Großraumbüro vernebelte. Yayoi verzog angewidert das Gesicht.
»Wie dem auch sei, machen Sie sich jedenfalls keine Sorgen, wir werden den Kerl schon schnappen. Wenn etwas sein sollte, rufen
Sie mich bitte an«, sagte Kinugasa und legte auf. Ohne Zweifel war das für sie selbst, für Masako und die beiden anderen eine gute Nachricht. Es hatte ihr einen Schlag versetzt, als sie erfahren hatte, dass der Kasinobesitzer aus Mangel an Beweisen aus der Untersuchungshaft entlassen worden war, aber sein jetziges Verschwinden musste wie ein Schuldeingeständnis wirken. Das beruhigte sie. Ihr Gesicht entspannte sich unwillkürlich. Als sie den Hörer aufgelegt hatte und an ihren Platz zurückkam, trafen sich ihre Augen mit denen von Frau Morisaki.
»Hat es irgendwelche erfreulichen Nachrichten gegeben?«, fragte Frau Morisaki lächelnd, während sie in Yayois gelöstes Gesicht blickte.
»Nein, wieso?«
Als sie sah, wie Yayois Miene abrupt ernst wurde, fragte sie zaghaft: »Soll ich mich vielleicht besser verabschieden?«
»Nein, warum denn, bleiben Sie doch noch!«
»Ist etwas passiert?«
»Man hat mir mitgeteilt, dass der Mann, der als Täter verdächtigt wurde, verschwunden ist.«
»Dann war das also gerade die Polizei am Telefon?«, fragte Frau Morisaki aufgeregt.
»Ja. Der ermittelnde Inspektor.«
»Ach, wie aufregend! Oh, entschuldigen Sie bitte.«
»Schon gut. So rücksichtsvoll brauchen Sie nun auch wieder nicht mit mir zu sein«, sagte Yayoi und lachte wieder. »Aber die Polizei ist wirklich lästig, ständig ruft jemand an, um
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