Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out
ihrer rechten Hand. Was war sie naiv gewesen, als sie den Ehering weggeworfen und geglaubt hatte, damit sei alles vorbei! Jetzt erst kam das wirkliche Ende, jetzt kam ihr Untergang.
»Ja, schäm dich nur, du Miststück!« Satō lachte höhnisch. »Du hast mir doch die Todesstrafe an den Hals gewünscht! Tja, da hast du leider Pech gehabt!«
»Rufen Sie schon die Polizei, ich stelle mich.«
»Das Weib ist doch wirklich zu naiv! Denkt immer nur an sich selbst!«, zischte Satō und löste mit geschickten Fingern den Knoten seiner schlichten, in der Farbe des Anzugs gehaltenen Krawatte. Yayoi starrte wie gelähmt auf das Muster – braune Linien auf grauem Grund -, das wie der Rücken einer Eidechse aussah, und dachte, dass sie nun mit dieser Krawatte erdrosselt werden würde. Sie würde genauso sterben wie Kenji, mit heraushängender Zunge und heruntertropfendem Speichel. Die Vorstellung wurde ihr unerträglich; zitternd schloss sie die Augen.
»Frau Yamamoto.« Satō war um den Tisch herumgekommen und stand neben ihr. Yayoi brachte nichts heraus und duckte sich nur.
»Frau Yamamoto!«, rief Satō noch einmal.
»Was?« Als sie ängstlich den Kopf hob, sagte Satō mit Blick auf die Digitaluhr an seinem Handgelenk:
»Wenn wir uns nicht beeilen, macht die Bank noch zu.«
Yayoi wandte sich ihm zu. »Was – wieso...?«, fragte sie und brach ab, weil sie endlich begriffen hatte, worauf er hinauswollte. »Das kann doch nicht... das Geld?«
»So ist es.«
»Aber das geht nicht, unmöglich! Wovon soll ich denn in Zukunft meine Familie ernähren?«
»Das ist mir gleich, dieses Geld ist jedenfalls für mich!«
»Nein!«
»Was denn, was denn! Willst du etwa, dass ich dir dein zartes Hälschen umdrehe?«, sagte Satō mit sanfter Stimme, packte von hinten Yayois schlanken Hals und drückte fest zu. Seine langen Finger umschlossen ihren Nacken und pressten vorne auf die Halsschlagader.
Yayoi war unfähig, sich zu bewegen – wie ein Kätzchen, das man an der Nackenfalte hochgehoben hatte. Weinend flehte sie: »Hören Sie auf, bitte, lassen Sie mich los!«
»Zahlst du, oder soll ich dir den Hals umdrehen?«
Gelähmt vor Angst, wiederholte sie nur immer wieder: »Ich zahle, ja, ich zahle!« Sie machte sich sogar in die Hose.
»Du rufst jetzt bei der Bank an und sagst Folgendes: Dein Vater sei plötzlich gestorben und du würdest in deine Heimatstadt zurückziehen, dazu bräuchtest du das Geld. Du würdest gleich mit
deinem Bruder vorbeikommen und die gesamte Summe abheben, sie sollten schon mal alles vorbereiten.«
»J-ja.« Satōs Finger ließen nicht locker, auch während sie stockend mit der Bank telefonierte.
»Gut. Zieh dich um!« Als sie den Hörer auflegte, ließ Satō endlich ihren Hals los. Wimmernd vor Schmerz, fragte sie zurück:
»Umziehen – wieso?«
»So, wie du aussiehst, kauft dir doch niemand auf der Bank die Geschichte ab!« Satō warf einen verächtlichen Blick auf Yayois vernoppten Pullover und den schlabbrigen, alten Rock. »So glauben die höchstens, du willst einen Kredit!« Satō packte Yayoi am Arm und riss sie vom Stuhl hoch.
»Was ist, was wollen Sie...«
Yayoi zitterte wie Espenlaub. Als sie den nassen Fleck am Gesäßteil ihres Rocks spürte, den der Urin hinterlassen hatte, verlor sie jede Eitelkeit, jeden Stolz, ja sogar die Angst, und sie begann nur noch zu funktionieren wie eine Maschine.
»Los, mach den Kleiderschrank auf!«
Yayoi trottete hinter ihm her ins Schlafzimmer und öffnete wie befohlen den ärmlichen Schrank aus furniertem Sperrholz.
»Such dir was raus!«
»Was soll ich denn anziehen?«
»Ein Kostüm oder ein Kleid, irgendwas Förmliches, je steifer, desto besser!«
»So etwas besitze ich aber nicht. Ich habe keine so guten Sachen, tut mir Leid«, entschuldigte sich Yayoi weinend. Da war dieser schreckliche Mann plötzlich in ihr Haus eingedrungen, bedrohte sie, und jetzt musste sie ihm auch noch den Inhalt ihres Kleiderschranks zeigen und sich bei ihm entschuldigen, weil sie nicht das Richtige zum Anziehen hatte! Das war so erbärmlich, dass sie nicht aufhören konnte zu weinen.
»Sieht ja wirklich armselig aus«, machte Satō sich über sie lustig, während er missmutig den Schrank durchsah, in dem größtenteils Kenjis Anzüge und Mäntel hingen. »Oh, was haben wir denn da – richtige Trauerkleidung!«
»Das soll ich anziehen?« Yayoi nahm die sommerlichen Trauersachen heraus, die noch im Plastiküberzug von der Reinigung steckten. Es war das
Weitere Kostenlose Bücher