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Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out

Titel: Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natsuo Kirino
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dem Bahnhof von Tachikawa umher.
    Irgendwann wurde ihr klar, dass ausgerechnet Kenji der Halt, der Wegweiser in ihrem Leben gewesen war. Denn ihn hatte sie eigenhändig umgebracht. Seine Gesundheit, seine Launen, das Geld, das er verdiente – immer hatte sich alles nur um ihren Ehemann gedreht, und sie war auf Gedeih und Verderb von ihm abhängig gewesen. Fast musste Yayoi lachen.
     
    Am Abend, wieder zu Hause, kam Takashi von draußen herein, wo er bis Sonnenuntergang gespielt hatte, und hielt der niedergeschlagenen Yayoi etwas hin. »Hier, Mama, das hast du verloren!«
    Es war ihr Ehering, den sie weggeworfen hatte. Er hatte ein paar Kratzer abbekommen, war aber nicht einmal verbogen.
    »Gut, dass ich das wieder gefunden hab, Mama, nicht, das ist doch ganz wertvoll!«
    »Ja, wie gut.« Yayoi steckte sich den Ehering an den Ringfinger der rechten Hand. Wie angegossen saß er wieder in der Vertiefung im Finger.
    »Für dich wird diese Sache nie zu Ende sein, dein ganzes Leben nicht, bis du stirbst!« Masakos Worte hallten ihr im Ohr. Ja, genau so war es auch. Es war nicht vorbei und würde nie vorbei sein, ihr ganzes Leben lang nicht.
    Als er die Tränen in den Augen seiner Mutter sah, schaute Takashi glücklich und stolz zu ihr auf: »Wie gut, dass du den Ring jetzt wiederhast, Mama, nicht? Wie gut, dass ich ihn für dich gefunden hab!«

2
    Masako erstarrte und konnte sich nicht mehr bewegen. Nein, es war lediglich ihr Bewusstsein, das nicht mehr richtig arbeitete. Ihr Bewegungsapparat funktionierte normal, ohne Stocken lenkte sie ihren Corolla bis schräg vor die angestammte Parklücke, hielt an und setzte rückwärts hinein. Es lief sogar glatter als sonst. Aber nachdem sie den Wagen vollständig zum Stillstand gebracht und die Handbremse gezogen hatte, musste sie erst einmal wieder zu Atem kommen. Mit gesenktem
Kopf, ohne zur Seite zu sehen. Denn in der Parklücke nebenan stand Kunikos grüner Golf.
    In der Fabrik konnte niemand außer ihr und Yoshië wissen, dass Kuniko tot war. Aber auf dem Parkplatz stand Kunikos Wagen, so als wäre sie pünktlich zur Arbeit gekommen. Fein säuberlich an seinem angestammten Platz. Da der Golf die letzten Tage nicht dagestanden hatte, musste Satake oder sonst jemand, der etwas mit Kunikos Tod zu tun hatte, ihn hergefahren und dort abgestellt haben – eine andere Möglichkeit gab es nicht. Und sein Ziel konnte nur eines sein: Masako Angst einzujagen, denn Yoshië kam mit dem Fahrrad und fuhr nie hier vorbei.
    Satake war bereits ganz nah. Wäre es da nicht besser, sofort alles stehen und liegen zu lassen und sich aus dem Staub zu machen? Panische Angst legte sich wie ein Eisenring um Masakos Herz, und sie zögerte eine Weile, das sichere Wageninnere zu verlassen, um den dunklen Parkplatz zu betreten.
    In dieser Nacht war es dort verhältnismäßig belebt. Zwei der gro ßen weißen Laster, die die Lunchpakete an die 24-Stunden-Läden lieferten, hielten an der Einfahrt. Die beiden Fahrer – in der gleichen Hygieneschutzkleidung, die Masako und die anderen bei der Schicht tragen mussten: weißer Arbeitsanzug, weiße Haube, Mundschutz – standen rauchend vor dem Wachhäuschen und plauderten angeregt mit diesem Wachmann. Das fröhliche Gelächter, das die Männer von Zeit zu Zeit anstimmten, schallte zu ihr herüber.
    Masako schöpfte Mut, stieg aus und ging um Kunikos Golf herum. Der Wagen war genauso schlampig geparkt, wie Kuniko das immer getan hatte: etwas nach rechts ausgeschwenkt und mit eingeschlagenen Vorderrädern. Fast hätte sie sich der Illusion hingegeben, Kuniko säße quietschfidel im Aufenthaltsraum der Fabrik und wartete auf sie. Obwohl sie ihr doch eigenhändig den Kopf abgesägt hatte! Wie um sich von dieser unbestreitbaren Tatsache zu überzeugen, ließ Masako den Blick auf ihre beiden Hände hinabsinken und schaute, beschämt von der eigenen Schwachheit, gleich wieder auf.
    Hatte er Kuniko denn bis in diese Feinheiten hinein beobachtet? Wenn dem so war, beobachtete er jetzt wahrscheinlich auch sie von irgendwoher. Allmählich bekam sie eine Ahnung von der ungeheuren Wahrnehmungsfähigkeit und Besessenheit dieses
Mannes namens Satake, und das Blut gefror ihr in den Adern. Diesmal war es ihr Bewegungsapparat, der steif wurde vor Angst, so dass sie sich nicht rühren konnte. Die Beine versagten ihr den Dienst. Angesichts ihres jämmerlichen Zustands knirschte Masako mit den Zähnen.
    In dem Moment löste der Wachmann plötzlich seinen Kopf aus dem Kreis der

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