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Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out

Titel: Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natsuo Kirino
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außer Atem hervor.
    Komada, der sich erstaunt zu ihr umdrehte, drängte: »Schnell! Sie sind die Letzte!« Ganz gegen seine Art fing er an zu lachen, als er ihr mit dem Kleberoller über den Rücken fuhr: »Na, sagen Sie mal, wo kommen Sie denn her? Sie sind ja voller Gras und Erde!«
    »Ach, ich hab mich so beeilen müssen, dass ich hingefallen bin.«
    »Auf den Rücken? Wie unangenehm! Haben Sie auch keine Verletzungen an den Händen?«
    Schnell untersuchte Masako Finger und Handflächen: Sie hatte Dreck unter den Nägeln, entdeckte aber keine Verletzungen. Erleichtert schüttelte sie den Kopf, denn Komada hätte sie sonst nicht durchgelassen.
    Sie durfte sich unter keinen Umständen anmerken lassen, dass sie dem Grabscher begegnet war. Masako lächelte Komada unverbindlich zu und stürzte in den Umkleideraum, der schon völlig verlassen war. Rasch warf sie sich den weißen Kittel über, schlüpfte in die Arbeitshose und lief mit Plastikschürze und Kochmützchen in der Hand zur Toilette. Als sie in den Spiegel sah, entdeckte sie etwas Blut an der Lippe. »Verdammter Mist«, schimpfte sie laut vor sich hin und wusch es mit kaltem Wasser ab. Am linken Oberarm hatte sie außerdem einen blauen Fleck, der entstanden sein musste, als Miyamori versucht hatte, sie ins Gebüsch zu ziehen. Sie wollte jegliche Spuren dieses Mannes auf ihrem Körper tilgen und hätte große Lust gehabt, sich auf der Stelle nackt auszuziehen, um nachzusehen, aber wenn sie jetzt trödelte, würde sie sich auf ihrer Stechkarte den Nachweis der Verspätung einhandeln. Verzweifelt unterdrückte Masako ihre Nervosität. »Ich warte morgen hier« – Miyamoris Worte fielen ihr wieder ein, und sie wurde umso wütender, als ihr bewusst wurde, dass sie sich in einer Lage befand, in der sie ihn nicht einmal zur Verantwortung ziehen konnte.
    Sie verließ die Toilette, schrubbte sich sorgfältig die Hände und rannte die Treppe zur Fabrik hinunter. Die Stechuhr druckte 23:59 auf ihre Karte. Sie hatte es zwar gerade noch rechtzeitig geschafft,
trotzdem war die Abweichung gegenüber ihrem normalen Verhalten augenfällig.
    Die Schlange der Arbeiter bewegte sich gerade langsam durch das Fabriktor, vorne hatte man schon mit dem Desinfizieren der Arme und Hände begonnen. Yoshië und Kuniko, die dort eingereiht standen, entdeckten sie und winkten ihr zu. Masako hob die Hand und nickte. Plötzlich stand Yayoi neben ihr, mit umgebundenem Mundschutz und Haube auf dem Kopf, so dass sie ihren Gesichtsausdruck nicht erkennen konnte, und sagte leise: »Mensch, bist du spät! Ich hab mir schon Sorgen gemacht!«
    »Tut mir Leid.«
    »Ist etwas passiert?« Yayoi sah ihr forschend in die Augen.
    »Nein, nichts. Aber wie steht’s mit dir? Hast du auch wirklich keine Kratzer an den Händen? Du weißt ja, wenn doch, kommt das in die Akten!«
    »Keine Sorge, alles okay.« Yayoi starrte durch das Tor in die Fabrik hinein, die wie ein riesiger Kühlschrank wirkte. »Ich fühle mich jetzt irgendwie stärker, weißt du.«
    Doch Masako hatte das leichte Zittern in ihrer Stimme nicht überhört. »Reiß dich zusammen. Vergiss nicht, du hast dir das selbst ausgesucht.«
    »Ich weiß.«
    Sie stellten sich an das hintere Ende der Schlange zur Desinfektion an.Yoshië stand schon am Kopf eines Bandes und sah sich ständig nach ihnen um. Ungeduldig mahnte ihr Blick sie zur Eile.
    »Hör mal«, flüsterte Masako, während sie Arme und Hände gründlich von den Ellbogen bis zu den Fingerspitzen mit Wasser abspülte, das in einem kräftigen Strahl aus dem Hahn schoss, »wie soll es denn jetzt weitergehen?«
    »Weiß nicht«, sagte Yayoi mit leerem Blick, als verspürte sie zum ersten Mal einen Anflug von Müdigkeit.
    »Es ist deine Angelegenheit, zerbrich dir darüber gefälligst auch deinen eigenen Kopf!«, zischte Masako und ging auf Yoshië zu, die am Kopf des Fließbandes auf sie wartete. Unterwegs sah sie sich vorsichtig unter den brasilianischen Arbeitern um, die blaue Kochmützchen aufhatten: Kazuo Miyamori war nicht darunter. Kein Zweifel, Masako war sicher, dass Miyamori der Grabscher gewesen sein musste.

    »Vielen Dank noch mal für vorhin.« Erstaunt sah Masako, wie Yoshië sich unversehens vor ihr verbeugte.
    »Wofür denn?«
    »Du bist gut! Für das Geld, das du mir heute Abend geliehen hast. Du hast es mir doch noch extra vorbeigebracht. Damit hast du mir einen großen Gefallen getan, wirklich! Ich werde es dir auch sofort zurückzahlen, sobald der Lohn auf meinem Konto

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