Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out
meinen.«
Damit war alles erledigt, was sie heute zu tun hatte. Yayoi atmete tief durch, nachdem sie aufgelegt hatte.
Als sie mit den Kindern beim Abendessen saß, fragte Takashi plötzlich: »Gehst du heute arbeiten?«
»Nein, heute nicht.«
»Warum nicht?«
»Ich mache mir Sorgen, weil Papa nicht nach Hause kommt.«
»Da bin ich aber froh! Du machst dir also doch Sorgen deswegen!«, erwiderte Takashi erleichtert, und Yayoi war vor Schreck wie vor den Kopf gestoßen. Es hatte nur den Anschein, als würden Kinder nicht auf so etwas achten, aber in Wahrheit durchschauten sie die menschlichen Beziehungen ganz genau, musste Yayoi sich eingestehen, und ihr wurde immer unheimlicher zumute. War es möglich, dass der Junge alles mitangehört hatte, was gestern Abend passiert war, als Kenji nach Hause kam? Blanke Angst packte sie. Wenn dem so war, musste sie unbedingt dafür sorgen, dass er den Mund hielt. In ihre Gedanken hinein beklagte sich Yukihiro schmollend: »Mama, hör mal, Milky ist im Garten, und ich habe gerufen und gerufen, aber sie will einfach nicht hereinkommen!«
Da platzte Yayoi und brüllte: »Dann lass sie doch! Immer diese
blöde Katze! Mama kann sich jetzt nicht auch noch um so was kümmern!«
Vor Schreck über das wutverzerrte Gesicht der sonst so liebevollen Mutter ließ Yukihiro seine Stäbchen fallen. Takashi senkte den Blick, als wollte er nichts davon gesehen haben.
Angesichts der Reaktion der Kinder bereute Yayoi ihren Ausbruch sofort. Sie musste unbedingt mit Masako über Takashi und die Sache mit der Katze reden. Gut, dass sie sich mit allem und jedem auf Masako verlassen konnte.
Sie hatte schon völlig vergessen, dass sie sich früher, als sie sich noch gut verstanden, auch von Kenji in dieser Weise abhängig gemacht hatte.
4
Masako breitete eine weitere Plastikplane auf der abgedeckten Badewanne aus und stellte die insgesamt dreiundvierzig Müllbeutel in Reih und Glied darauf auf. Die Plastikdeckel bogen sich unter dem Gewicht genau so, wie sie es getan hätten, wenn ein Mann daraufgestiegen wäre.
»Immer noch ganz schön schwer, obwohl so viel Blut abgeflossen ist!«, hatte sie wie zu sich selbst gesagt, als Kuniko unter Kopfschütteln seufzte: »Widerlich, wirklich unglaublich!«
Sofort schnappte Masako zurück: »Was hast du da eben gesagt?!«
»Unglaublich ist das, hab ich gesagt! Ich finde es unglaublich, wie du mit ungerührter Miene dastehen kannst, nachdem du so etwas getan hast!« Kuniko zog einen Schmollmund und sah Masako herausfordernd an.
»Ach ja, findest du? Das hat mit ungerührt überhaupt nichts zu tun, wenn du mich fragst«, gab Masako zurück. »Außerdem: Deine Nerven möchte ich haben! Rennst herum, machst überall Schulden, fährst trotzdem einen ausländischen Wagen und kommst dann zu mir, um dir Geld zu leihen! Das finde ich viel unglaublicher!«
Sofort füllten sich Kunikos ungeschminkte, kleine Augen mit Tränen. Sonst hatte sie immer ausgiebig Make-up aufgelegt, aber selbst dazu schien sie heute Morgen keine Zeit mehr gehabt zu haben. So sah sie jedenfalls weitaus jünger und natürlicher aus.
»So, meinst du? Dass ich nicht lache – der Vergleich hinkt ja wohl gewaltig. Ich bin immer noch zehnmal besser als du. Wer hat mich denn hier hineingezogen? Du hast mich doch hereingelegt!«
»Ach nein! Verstehe, dann brauchst du also gar kein Geld!«
»Doch, das Geld brauche ich. Es ist mein Untergang, wenn ich es nicht kriege!«
»Du wirst sowieso untergehen, glaub mir, auch ohne diese Sache hier! Leute wie dich kenne ich zur Genüge!«
»Wieso?«
»Auf meiner alten Stelle habe ich zu viele von deiner Sorte sehen müssen!« Masako hielt Kunikos Blick ruhig stand. Bei einem nichtsnutzigen Weib wie Kuniko konnte man nichts als draufhauen, und sie genoss es, ihr schonungslos die Wahrheit zu sagen. Zum Glück gab es in ihrer Umgebung noch genügend zwischenmenschliche Beziehungen, bei denen sie nach Lust und Laune reinen Tisch machen konnte.
»Was meinst du damit? Wo hast du denn früher gearbeitet?« Kunikos Neugier schien geweckt.
Masako schüttelte den Kopf: »Das geht dich nichts an, und es tut nichts zur Sache.«
»Tut es wohl! Antworte mir gefälligst, anstatt so geheimnisvoll drum herumzureden!«
»Ich rede nie drum herum: Wenn du Geld willst, dann tu etwas dafür!«
»Mach ich ja. Aber es gibt Grenzen, der Mensch hat seine Grenzen, das will ich nur gesagt haben.«
»Es wird dir bloß nichts nützen.« Masako lachte, und Kuniko, die
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