Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out
Anteil ab!«
»Mein Anteil, wie viel wäre das denn?« Vorwitzig blitzte die Gier in Kunikos Augen auf, die gerade noch kurz vorm Weinen gestanden hatten. Unangenehm berührt stopfte Yoshië den Inhalt ihrer Hosentasche mit dem Daumen weiter nach unten. Nur Masako wusste, dass sie Kenjis Taschengeld an sich genommen hatte.
»Tja, du hast bloß beim Abpacken geholfen, an der Dreckarbeit warst du nicht beteiligt, also dürften hunderttausend genügen. Die Meisterin bekommt vierhunderttausend. Aber ich weiß noch nicht, ob Yama-chan überhaupt so viel auftreiben kann.«
Für einen Augenblick trafen sich Kunikos und Yoshiës Augen. Gleichzeitig erschien in beiden Gesichtern ein eindeutiger Ausdruck von Verzweiflung, aber – sei es, weil Yoshië sich mit dem Bonus zufrieden gab, den sie schon erhalten hatte, sei es, weil Kuniko nur froh war, dass sie wenigstens die schlimmste Arbeit nicht hatte machen müssen, oder weil beide einfach Angst vor Masako hatten – keine widersprach.
»Tja, dann will ich mal«, sagte Yoshië und verließ geschwind das Haus, ohne nur ein einziges Mal zurückzublicken.
Kuniko machte ebenfalls Anstalten, zu gehen, drehte sich jedoch noch einmal um: »Ach, Masako-san, warten wir heute Abend auf dem Parkplatz wieder aufeinander?«
»Das wird nicht nötig sein. Lass uns ruhig getrennt gehen«, antwortete Masako, während sie die Müllbeutel, die Kuniko mitnehmen sollte, in einem großen schwarzen Plastiksack verstaute.
Kuniko sah ihr argwöhnisch in die Augen: »Ist gestern Abend noch irgendwas gewesen? Du warst so spät...?«
»Nein, nichts.«
»Aha. Ja dann«, sagte sie und ließ ihre Augen wie zufällig von oben bis unten über Masakos Körper gleiten, als hätte sie da einen ganz bestimmten Verdacht.
Nachdem die beiden Frauen gegangen waren, brachte Masako ihren Anteil an Mülltüten, Kenjis zerschnittene Kleidungsstücke und seine anderen Habseligkeiten zum Auto und verstaute alles im Kofferraum. Heute Abend vor der Schicht würde sie herumfahren, um geeignete Stellen ausfindig zu machen, wo sie die Sachen noch in der Nacht oder morgen früh verschwinden lassen konnte.
Danach nahm sie einen Schrubber und machte sich daran, das Bad gründlich zu reinigen.
Aber wie oft sie die Fliesen auch mit den harten Borsten abscheuerte, immer blieb das Gefühl, die zähe Blutmasse hätte sich in den Fugen festgesetzt, und wie weit sie das Fenster auch öffnete, wie lange sie auch den Ventilator laufen ließ – der Gestank nach Blut und verwesenden Gedärmen schien einfach nicht zu verschwinden.
Alles Einbildung, dachte Masako, Sinnestäuschungen, die von
Feigheit genährt werden. Yoshië hatte ihre Hände so lange mit Cresol abgerieben, bis ihr fast die Haut abgefallen war, weil sie glaubte, der Ekel erregende Geruch, der daran haftete, würde nie wieder weggehen. Kuniko, die ja nur die Fleischstücke auf die Tüten verteilen sollte, war beim Anblick des zerstückelten Kenji sofort zum Klo gerannt und hatte sich – unter Schwüren, nie im Leben mehr Fleisch zu essen – übergeben; dann hatte sie unter Tränen die Müllbeutel gepackt. Sie selbst hatte das Ganze doch noch vergleichsweise gefasst hinter sich gebracht.
Den Badboden schrubbte sie einzig und allein deshalb mehrfach mit Scheuerpulver ab, weil sie den Luminol-Test fürchtete, falls es eventuell doch zu einer polizeilichen Untersuchung käme. Dass sie unter Verfolgungswahn leiden könnte, bedeutete eine Schmach für Masako, die alles Unvernünftige prinzipiell auszuschalten suchte.
An der Wand klebte ein Kopfhaar. Ein hartes, kurzes Männerhaar. Masako nahm es zwischen die Finger und überlegte, ob es von ihrem Mann, ihrem Sohn oder doch von Kenjis Leiche stammte. Hatte sie denn den Verstand verloren? Es war nichts weiter als ein Kopfhaar, wie man es im täglichen Leben eben jederzeit verlor, und solange man keine DNA-Analyse machte, würde niemand seine Herkunft feststellen können. Verrückt! Es war Abfall, ganz gleich ob es einem lebenden Mann ausgefallen war oder der Leiche. Sie spülte es den Abfluss hinunter. Und jagte den Verfolgungswahn gleich hinterher.
Nachdem sie Yayoi angerufen und mit ihr die Sache mit dem Geld besprochen hatte, konnte sie sich endlich ins Bett legen. Es war bereits nach vier Uhr nachmittags. Normalerweise ging sie morgens um neun ins Bett und stand um vier wieder auf. Jetzt war ihr Körper zwar völlig übermüdet, aber die Nerven lagen blank und machten sie hellwach. Der erlösende Schlaf
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