Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out
zusammen bilden sie höchstens ein Fünftel eines menschlichen Körpers. Derzeit ist man dabei, den gesamten Park noch einmal gründlich nach weiteren Teilen zu durchsuchen. Die Raben haben uns auf die Spur gebracht.«
»Raben?« Yayoi verstand nicht.
»Ja, Raben. Eine ältere Frau, Reinigungskraft im Park, wollte die Raben füttern und hat die Abfallkörbe nach brauchbaren Essensresten durchsucht. Dabei ist sie auf einige der Beutel gesto ßen und hat die Polizei verständigt. Ohne die Raben hätten wir vielleicht nie etwas davon bemerkt.«
Yayoi versuchte verzweifelt, sich nichts von ihrer inneren Aufregung anmerken zu lassen. »Falls es sich tatsächlich um meinen Mann handelt, wieso sollte ihm so etwas zugestoßen sein?«
Iguchi antwortete nicht, sondern fragte sie: »Ist Ihr Mann in letzter Zeit nicht doch in irgendwelche Schwierigkeiten verwickelt gewesen? Fällt Ihnen wirklich nichts in dieser Richtung ein? Hat er vielleicht irgendwo Schulden gemacht?«
»Nicht dass ich wüsste.«
»Bleibt er abends öfter länger weg?«
»Nein, er achtet immer darauf, zu Hause zu sein, bis ich zur Nachtschicht muss.«
»Hat er irgendwelche Laster, Glücksspiel oder andere Vergnügungen?«
Als das Wort »Glücksspiel« fiel, dachte sie sofort an Bakkarat und legte den Kopf schief. »Davon weiß ich nichts, aber in letzter Zeit geht er häufiger trinken.«
»Verzeihen Sie, wenn ich Ihnen zu nahe trete, aber haben Sie öfter Streit?«
»Nun ja, das kommt zwar hin und wieder einmal vor, aber er hat... er liebt die Kinder sehr und... ist ein guter Ehemann.« Fast hätte sie die Vergangenheitsform benutzt und war ins Stocken geraten. Dann erinnerte sie sich daran, dass Kenji den Kindern wirklich ein guter Vater gewesen war, und Tränen stiegen ihr in die Augen.
Iguchi, der offenbar eine rührselige Szene befürchtete, erhob sich. »Verzeihen Sie, aber falls sich, was wir auf keinen Fall hoffen wollen, tatsächlich herausstellen sollte, dass es sich bei der Leiche um Ihren Gatten handelt, müsste ich Sie noch einmal aufs Revier bitten.«
»Ja, natürlich.«
»Ich hoffe wirklich das Beste für Sie. Für die kleinen Kinder wäre es zu furchtbar, wenn sich der Verdacht bewahrheiten sollte.«
Als sie den Kopf hob, sah sie, wie Iguchis Augen wieder auf dem Dreirad ruhten. Daneben saß immer noch die Katze.
Nachdem Iguchi und seine Männer gegangen waren, rief Yayoi unverzüglich Masako an. Sie zauderte keine Sekunde mehr.
»Was ist passiert?«, fragte Masako sofort. Sie schien an ihrem Tonfall erkannt zu haben, dass etwas Unvorhergesehenes eingetreten war. Yayoi berichtete ihr, dass die Polizei im Koganei-Park eine zerstückelte Leiche gefunden hatte.
»Das haben wir wahrscheinlich Kuniko zu verdanken. Es war wirklich zu leichtfertig von mir, mich auf diese Schlampe zu verlassen«, sagte Masako mit vor Reue bedrückter Stimme. »Und dann auch noch Raben!«
»Was soll ich denn jetzt tun?«
»Wenn man jemanden mit Handtellerabdrücken identifizieren kann, werden sie zweifellos herausfinden, dass es sich um deinen Mann handelt. Es ist nur noch eine Frage der Zeit. Dann wirst du
von jetzt an die Unwissende spielen und diese Rolle auf Biegen oder Brechen durchhalten müssen. Einen anderen Ausweg gibt es nicht. Er ist nicht nach Hause gekommen, du hast ihn morgens das letzte Mal gesehen, als er zur Arbeit ging, die eheliche Beziehung war normal.«
»Aber was mache ich, wenn jemand gesehen hat, wie er an dem Abend heimgekommen ist?« Wider Erwarten versetzte das Gespräch mit Masako Yayoi mehr und mehr in Unruhe.
»Aber du hast doch selbst gesagt, dass das nicht zu befürchten sei!«
»Ja, aber...«
»Reiß dich zusammen. Noch ist nicht mehr passiert als das, womit wir ohnehin rechnen mussten.«
»Ob uns auch niemand beobachtet hat, als wir ihn zum Auto getragen haben?«
Wie es offenbar ihre Angewohnheit war, schwieg Masako und dachte genau nach, bevor sie endlich eine Antwort gab, die Yayoi aber keinesfalls beruhigte: »Das kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen.«
»Den blauen Fleck in der Magengrube muss ich doch sicher verheimlichen, nicht wahr?«
»Auf jeden Fall! Es wird schon klappen – du hast schließlich ein Alibi für diese Nacht, und Autofahren kannst du auch nicht. Du bist in der Fabrik gewesen, und am nächsten Morgen hat man dich doch sicher auch im Kinderhort gesehen, oder?«
»Ja, natürlich. Danach habe ich auch noch eine Nachbarin getroffen und ein paar Worte mit ihr gewechselt, an der
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