Die Un-Heilige Schrift
Juden untersagt, die bis dahin für Christen übliche Einhaltung des Sabbath verboten und systematisch alles ausgemerzt, was im Verdacht der Häresie stand – oder mit Vergnügen zu tun haben konnte. Auch die Stellung der Frauen verschlechterte sich. Die „Canones“ genannten Beschlüsse lesen sich z. B. folgendermaßen:
Canon XXX: Niemand aus der Priesterschaft, weder Kleriker oder Asket noch irgendein Christ oder Laie, soll sich in einem Bad mit Frauen waschen; denn dies ist die größte Schande unter den Heiden.
Canon XXXVII: Es ist ungesetzlich, Essen von einem Fest der Juden oder Häretiker entgegenzunehmen oder mit ihnen gemeinsam zu feiern.
Canon XXXIX: Es ist ungesetzlich, mit den Heiden zu feiern oder an deren Gottlosigkeit teilzuhaben.
Canon XLIV: Frauen sollen nicht vor den Altar treten.
Canon LIII: Christen, die eine Hochzeit besuchen, dürfen sich nicht an liederlichen Tänzen beteiligen, sondern sollen bescheidene Speisen zu sich nehmen, wie es Christen geziemt.
Und schließlich Canon LIX:
Keine von Individuen selbst geschriebenen Psalmen oder irgendwelche unkanonischen Bücher sollen in der Kirche gelesen werden, sondern ausschließlich die kanonischen Bücher des Alten und Neuen Testaments.
Strittig ist die Echtheit eines Canon 60 – was dafür gehalten wird, wirkt nachträglich hinzugefügt. Jedenfalls listet dieser Canon im Einzelnen auf, was mit kanonischen Büchern gemeint ist; dies deckt sich im Alten Testament (AT) weitgehend, im Neuen Testament gänzlich mit dem heute gültigen Kanon.
Hieronymus erhielt den Auftrag, die Bibel ins Lateinische zu übersetzen. Michelangelo Caravaggio, 1607
Reine Mutmaßung ist der Umkehrschluss, der auflistet, welche Bücher konkret ausgeschlossen wurden – die Evangelien nach Maria Magdalena, Nikodemus und Judas etwa, das Buch Henoch oder Briefe von Herodes und Pilatus. Es mag verlockend sein, ein historisches, genau umgrenztes Ereignis benennen zu können, an dem alles geschehen sein soll; der Prozess der Kanonisierung über die Jahrhunderte fand jedoch sicher nicht ein abruptes Ende, bei dem man in wenigen Tagen Dutzende biblische Bücher in Gut und Böse einteilte. Der Bann über die unkanonischen Schriften wurde verhängt – eine gedankenpolizeiliche Maßnahme schlimmster Form; möglicherweise wurde zur Vermeidung von Missverständnissen auch noch eine Liste der erlaubten Bücher bereitgestellt (Canon LX). Äußerst unwahrscheinlich ist jedoch die Existenz einer konkreten Liste nicht-kanonisierbarer Schriften, die es zu entfernen galt. Falls überhaupt, betraf die Nicht-Kanonisierung nur einige wenige noch immer strittige Texte, da wie schon erwähnt der jahrhundertelange Kanonisierungsprozess zu diesem Zeitpunkt bereits zum Großteil abgeschlossen war.
Die katholische Gedankenpolizei schrieb genau vor, was zu tun und zu lassen war.
Doch auch die erlaubten Schriften lagen nur in einer Vielzahl von lateinischen Übersetzungsversionen und vor allem nicht gesammelt vor. Diesen Vetus Latina genannten Texten fehlte die verbindliche Einheitlichkeit, der Wunsch nach einer allgemein gültigen Fassung wurde immer drängender. Nach dem Konzil von Konstantinopel 381 wurde der Auftrag dazu erteilt: an einen ausgesprochen gelehrten, rechthaberischen und asketischen Mann. Sophronius Eusebius Hieronymus sollte etwas gelingen, das wahrlich die Jahrhunderte überdauerte.
Ein bisschen apokryph
Der später heilig gesprochene Kirchenvater Hieronymus durfte als Sohn wohlhabender Eltern bereits in jungen Jahren in Rom studieren. Um 370 begann er zu reisen, lebte drei Jahre als Einsiedler in der syrischen Wüste und lernte Griechisch und Hebräisch. Nach seiner Priesterweihe setzte er seine Studien in Byzanz fort, bis ihn sein mittlerweile ausgezeichneter Ruf als Gelehrter nach Rom brachte: Papst Damasus I. ernannte ihn zu seinem persönlichen Sekretär.
Hieronymus steht im Ruf, der hervorragendste Sprachgelehrte seiner Zeit gewesen zu sein – von keinem anderen Kirchenvater ist die Beherrschung des Hebräischen überliefert, zudem war Hieronymus im klassischen wie auch im zeitgenössischen Latein und natürlich im Griechischen bestens bewandert.
In seinen überlieferten Schriften erweist er sich als äußerst streitbarer Mann, der in theologischen Auseinandersetzungen nicht selten darauf verfiel, Meinungsverschiedenheiten als persönlichen Affront aufzufassen. Andere sahen ihn schlicht als fixiert bis geradezu besessen.
Hieronymus huldigte einem
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