Die Unbekannten: Roman (German Edition)
mit einer Puzzles Hand und mit der anderen Riddles.
Das Gefühl, das ihn überwältigte, musste sich von dem unterscheiden, das Northcott sprachlos gemacht hatte, denn seine Bezauberung wäre in Wortschwällen in jedweder bescheidenen poetischen Sprache, die er aufbieten konnte, aus ihm hervorgesprudelt – wenn jemand da gewesen wäre, der diese menschlichste aller Sehnsüchte nach dem Geheimnisvollen und Bedeutsamen verstanden hätte.
Diese Tiere umgab eine Aura der Unschuld und Reinheit, die er als nahezu greifbar empfand und die ihm nie zuvor begegnet war; er hätte sich noch nicht einmal ausgemalt, jemals so etwas zu erleben. Er näherte sich ihnen voller Entzücken und Verwunderung, doch dann stellte er fest, dass ihn eine unerwartete Ehrfurcht befiel, für die er keine Erklärung hatte. Ihm kamen die Tränen.
Northcott ging langsam um den Käfig herum, musterte die Tiere gebannt und bekam von Lamars Gefühlsüberschwang nichts mit. Er brach sein untypisches Schweigen und sprach von Dingen, die keine Rolle spielten, von Dingen, die für Lamar keinen Sinn ergaben.
Als Lamar endlich selbst wieder sprechen konnte, sagte er: »Ihre Augen. Ist es nicht blanke Ironie, Northcott, dass die vielleicht größte Herausforderung, die sie
an Sie stellen, die unglaubliche Beschaffenheit ihrer Augen ist?«
Northcott verstand, worauf er anspielte, und er war nicht erfreut.
56
Auf dem Küchentisch stand eine quadratische Scheibe aus mehrfach übereinandergeschichtetem Glas mit einer Seitenlänge von sechzig Zentimetern, die von einem Stahlrahmen zwischen zwei Stahlzylindern mit einem Durchmesser von siebeneinhalb Zentimetern gehalten wurde. Rotes Licht leuchtete in einem pfenniggroßen Loch nahe dem oberen Rand jedes der beiden Zylinder. Das Gerät war nicht nur an eine Steckdose in der Wand, sondern auch an Paul Jardines Laptop angeschlossen.
Man hatte Cammy gesagt, Laser würden ihre Augen scannen und kontinuierliche Messungen vornehmen, um Reaktionen der Iris und Erweiterungen der Pupille zu überprüfen, die dabei halfen, den Wahrheitsgehalt ihrer Antworten zu bestimmen, da sich die Pupille beim Lügen unwillkürlich weiter öffnete. Auch andere Veränderungen im Auge, auf die Jardine nicht näher einging, wurden offensichtlich analysiert.
Zu Beginn der Sitzung zeichneten die Laser auch ihr Gesicht auf – in der ausdruckslosesten Haltung, die sie bewerkstelligen konnte. Anschließend deckte eine kontinuierliche Aufnahme ihrer Gesichtstopographie selbst die feinsten Nuancen im Ausdruck auf, von denen Forscher festgestellt hatten, dass sie entweder mit Lügen oder mit Ausflüchten in Verbindung standen.
Dieser Laserpolygraph war eigens für den Heimatschutz
entwickelt worden. Jardine benutzte ihn in Verbindung mit einem eng anliegenden Handschuh, in den zahllose elektronische Sensoren eingewebt waren, um Veränderungen in den Körpervorgängen zu messen, die für traditionellere Lügendetektoren von Interesse waren: Puls, Blutdruck, Schweiß.
Bevor sie dem Verfahren unterzogen wurde, war ihr eine Erklärung vorgelegt worden, die Jardine in Gegenwart eines Zeugen unterschrieben hatte; darin stand, keine auf diese Weise erworbene Information könne vor Gericht gegen sie verwendet werden, und in Angelegenheiten, die durch seine Fragen und ihre Antworten gestreift würden, wurde ihr Straffreiheit zugesichert.
»Wir sind fest entschlossen, die volle Wahrheit zu erfahren. Daran liegt uns weitaus mehr als an der strafrechtlichen Verfolgung irgendwelcher Personen aufgrund irgendwelcher Tatbestände«, hatte Jardine gesagt.
Wenn sie sich jedoch weiterhin weigerte, sich an das Gerät anschließen zu lassen, nachdem ihr Straffreiheit zugesichert worden war, konnte sie andererseits aufgrund zweier Gesetze angeklagt werden, die im Falle eines Schuldspruchs künftige Urteile gestatteten, die sich auf insgesamt bis zu vier Jahre Gefängnisstrafe belaufen konnten.
Als Cammy immer noch zögerte, sagte Jardine: »Sehen Sie es doch einfach mal so: Wenn Sie das Blaue vom Himmel runterlügen wollen, können Sie das ohne Furcht vor Strafe tun. Ihnen ist Straffreiheit zugesichert worden. Aber wenn Sie lügen, ist dieses Informationsgespräch meine Zeit trotz allem wert, weil ich sehen werde, wann
Sie lügen, und weil ich mir davon verspreche, dass ich Rückschlüsse auf Ihre Gründe ziehen kann.«
»Ich habe nicht die Absicht, Sie zu belügen.«
»Bis wir so weit gediehen sind«, hatte Jardine gesagt, »hat keiner jemals vor zu
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