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Die Unbekannten: Roman (German Edition)

Die Unbekannten: Roman (German Edition)

Titel: Die Unbekannten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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Konferenzraum«, erklärte einer der Agenten, als sie die Stufen von der Veranda hinunterstiegen.
    Cammy stand am Geländer, neben dem Wolfshund und dem Scharfschützen, der Worte und Kugeln mit der gleichen Zielsicherheit abfeuerte.
    Er sagte: »Es ist, als würde irgendein Zirkus aus der Hölle für ein zweitägiges Gastspiel seine Zelte aufbauen. Sie haben keine Elefanten, ihre Kunststücke sind langweilig, und ihr Clown ist nicht komisch.«
    »Was wird Puzzle und Riddle passieren?«
    »Nichts.«
    »Aber sie sind bereits fort.«
    »Sie sind nicht fort. Sie sind hier.«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir sie zurückbekommen. «
    »Ich schon«, sagte er.
    »Wie?«
    »Irgendwie.«

53
    Die Handgranaten machten Henry Rouvroy glücklich. Er hatte befürchtet, der Haiku schreibende Hurensohn hätte den Landrover geplündert. Wenn die Granaten dem mysteriösen Dichter in die Hände gefallen wären, hätte sich das Kräfteverhältnis dramatisch zu seinen Ungunsten verschoben.
    Er genoss es, im Wohnzimmer auf dem Fußboden zu sitzen, die Granaten anzustarren, sie zu berühren und sogar zu küssen. Die Hülse einer Handgranate war im Grunde genommen eine Stahlwaffel, die darauf wartete, gesprengt zu werden und die Körper aller, die in Reichweite waren, brutal zu zerfetzen. Das war eine schöne Sache.
    Der Senator, dem Henry als Chefberater und politischer Stratege gedient hatte, hatte weitaus mehr Waffen und Munition erworben, als Henry sich jemals erträumen konnte, in die Finger zu kriegen, aber im Moment genügten ihm die Granaten und sein Vorrat an Schusswaffen. Wenn die Staatsordnung zusammenbrach, würde der Senator bereits an einen eigens zu dem Zweck vorbereiteten Ort geflohen sein, einem von vielen, die gut verborgen und bewacht für die höchsten der hohen Regierungsbeamten zur Verfügung standen. Er erwartete, dass Henry ihn und seine Familie dorthin begleiten würde, um das halbe Jahr oder Jahr des Blutvergießens auf den Straßen gut zu überstehen. Aber Henry ahnte instinktiv, dass die
sozialen Spannungen auf einem abgelegenen befestigten Gelände mit einer Horde von Politikern und deren Sippen nur zu paranoiden Verdächtigungen, grausamen internen Kämpfen und am Ende zu Kannibalismus führen konnten. Während er den Senator in dem Glauben ließ, er sei für die Idee gewonnen, schmiedete er seine eigenen Pläne. Henry wollte nicht bei lebendigem Leibe aufgefressen werden.
    Jetzt begann er, die Granaten im ganzen Haus zu verteilen; er verbarg sie unter Polstern, in Schubladen, unter Stühlen. Falls sein Feind einen Angriff auf das Haus unternahm, wollte Henry stets eine Handgranate in Reichweite haben, damit er ein Fenster öffnen und dem Mistkerl eine teuflische Überraschung bereiten konnte, indem er ihm den Arsch wegsprengte und dem Spiel ein Ende bereitete. Er versteckte neunundzwanzig Stück und beschloss, die letzte auf Schritt und Tritt mit sich herumzutragen, bis er seinen Peiniger getötet hätte.
    Als er damit fertig war, fiel ihm der ekelhafte Dreck unter seinen Fingernägeln auf. Er verstand nicht, wie er sich durch das bloße Entladen des Rovers so schmutzig gemacht haben konnte. Schwerarbeit war eine solche Sauerei – erstaunlich, dass die Arbeiterklasse nicht jährlich Millionen ihrer Angehörigen an Seuchen und Krankheiten verlor.
    Er kehrte ins Badezimmer zurück, ließ warmes Wasser in das Waschbecken einlaufen und machte sich ans Werk. Vierzig Minuten lang schrubbte er emsig seine Hände mit der billigen, unangenehm riechenden Seife und der praktischen Bürste, die er am Vorabend entdeckt hatte,
denn erst dann waren sie zu seiner Zufriedenheit gesäubert. Seine Nägel waren wieder weiß und schimmerten.
    Während er seine Hände abtrocknete, fragte er sich, ob ihn mehr als nur der Wunsch nach Reinlichkeit dazu antrieb, sich die Hände zu waschen, bis sie von dem heißen Wasser und den Abschürfungen durch die Borsten feuerrot waren. Da er seinen Studienabschluss in Harvard gemacht hatte, wusste er eine ganze Menge über Psychologie. Exzessives Händewaschen konnte ein unterbewusstes Eingeständnis von Schuld sein. Vielleicht hatte es ihm doch mehr ausgemacht, als er geglaubt hatte, seinen Bruder zu ermorden.
    Aber was geschehen war, ließ sich ohnehin nicht mehr ungeschehen machen. Eines der Dinge, die man im Rahmen einer guten Ausbildung lernte, war, sich der Realität des Daseins zu stellen und nicht die Illusion zu hegen, falsch sei immer falsch und richtig immer richtig.

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