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Die Unbekannten: Roman (German Edition)

Die Unbekannten: Roman (German Edition)

Titel: Die Unbekannten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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lügen.«
    Jetzt, eine Stunde nach Beginn des Verhörs – das Jardine beharrlich ein Informationsgespräch nannte –, waren die Rollläden vor dem Küchenfenster und der Küchentür geschlossen. Licht kam nur von der Soffittenlampe über dem Spülbecken und dem Bildschirm von Jardines Laptop.
    Cammy konnte die niederwelligen Laser nicht sehen. Sie waren von einer einzigen spezifischen Wellenlänge oder von einer schmalen Bandbreite von Wellenlängen, und sämtliche Scheitelpunkte der individuellen Wellen trafen zusammen. Obwohl die Strahlen unsichtbar für sie waren, glaubte sie manchmal, am Rande ihres Gesichtsfeldes Schatten zittern oder springen zu sehen, wo sich in Wirklichkeit nichts bewegte.
    Sie hatte ihn kein einziges Mal belogen. Seine Befragung war akribisch, aber fantasielos und daher ermüdend. Dann kam einer von zwei Momenten, die sich vom gesamten Rest der Befragung unterschieden.
    Er blickte von seinem Laptop auf und betrachtete sie durch die mehrschichtige Glasscheibe. »Dr. Rivers, sind Sie in den letzten zwei Jahren im Staat Michigan gewesen ?«
    »Nein.«
    Er wandte seine Aufmerksamkeit dem Laptop zu. »Sind Sie jemals im Staat Michigan gewesen?«
    »Nein.«
    Haben Sie jemals von Cross Village, Michigan, gehört? «
    »Nein. Noch nie.«
    »Haben Sie je von Petoskey, Michigan, gehört?«
    »Nein.«
    »Haben Sie jemals jemanden aus Michigan gekannt?«
    Sie dachte einen Moment lang nach. »Im College für Veterinärmedizin gab es diese Frau aus Michigan.«
    »Woher in Michigan kam sie?«
    »Ich kann mich nicht erinnern. Wir waren nicht eng befreundet.«
    »Wie hieß sie?«
    »Allison Givens. Wir nannten sie Ally.«
    »Arbeitet sie als Tierärztin in Michigan?«
    »Ich vermute es. Ich weiß es nicht. Ich habe keinen Kontakt zu ihr.«
    »Haben Sie noch Kontakt zu anderen, die mit Ihnen am College waren?«
    »Ja. Mit ein paar.«
    »Hat eine dieser Personen noch Kontakt zu Ally Givens?«
    »Ich weiß es nicht. Ich glaube nicht. Sie haben nie etwas erwähnt. Was hat all das mit Michigan zu bedeuten?«
    »Denken Sie bitte an unsere Absprache, dass ich die Fragen stelle und Sie antworten, nicht umgekehrt.«
    Er hatte das Thema entweder ausgeschöpft oder wollte es nicht weiterverfolgen, nachdem ihre Neugier geweckt war. Dann befragte er sie nach ihren Erfahrungen mit Puzzle und Riddle.
    Fast eine Stunde später, als die Befragung ihrem Ende zuging, stellte er eine Frage, die ein verbaler Fausthieb war.
    »Dr. Rivers, haben Sie schon mal jemanden getötet?«
    Fassungslos sah sie ihm durch die Scheibe in die Augen.
    Er wiederholte die Frage. » Cammy , haben Sie schon mal jemanden getötet?«
    »Ja.«
    »Wen haben Sie getötet?«
    »Den Freund meiner Mutter.«
    »Wie hieß er?«
    »Jake Horner. Jacob Horner.«
    Jardine machte sich nicht die Mühe, die Grafiken auf dem Monitor seines Laptops zurate zu ziehen. Er wusste, dass sie die Wahrheit sagte.
    »Das war an Ihrem fünfzehnten Geburtstag, nicht wahr?«
    »Diese Polizeiberichte, die Gerichtsverhandlung – all das ist unter Verschluss.«
    »Das war an Ihrem fünfzehnten Geburtstag, nicht wahr?«
    »Unter Verschluss. Es ist alles unter Verschluss. Ich war eine Jugendliche. Niemand hat das Recht, etwas darüber zu wissen.«
    Jardines Augen waren in dem düsteren Raum nicht stark beleuchtet, aber im matten Schein seines Monitors konnte Cammy sie gut genug sehen, um seine Verachtung zu erkennen.
    Er sagte: »Waren es zehn Jahre an Bord der Therapy ? Zehn Jahre? Waren es zehn Jahre, Cammy?«
    Sie sah nicht nur seine Verachtung, sondern auch die gewaltige Genugtuung, die ihm ihre Reaktion bereitete, ihre Bedrängnis.
    Es stand in seiner Macht, ihre zehnjährige Tortur ans Licht zu bringen und damit zu gewährleisten, dass fortan Menschen, die sie ansahen, ihre Vergangenheit in ihrer Gegenwart sehen und sie geringschätzen oder, noch schlimmer, sie bemitleiden würden.
    Das war seine Methode, ihr dauerhaftes Stillschweigen über Puzzle und Riddle zu gewährleisten und sich ihrer widerspruchslosen Kooperation zu versichern.
    Sie zog den Handschuh aus, in den die zahllosen elektronischen Sensoren eingewebt waren, und warf ihn auf den Tisch.
    »Genug«, sagte sie. »Mir reicht es, ich bin fertig.«
    »Ja«, sagte Jardine. »Ich glaube Ihnen aufs Wort, dass Sie fix und fertig sind.«

57
    Die Geräusche auf dem Dachboden kamen und gingen, kamen und gingen. Manchmal war es ein Geräusch, als bewege sich jemand mühselig auf Händen und Knien von einem Ende zum

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