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Die Unbekannten: Roman (German Edition)

Die Unbekannten: Roman (German Edition)

Titel: Die Unbekannten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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verloren.
    Später saß Grady mit seiner Mom in der dunklen Küche. Das Grab des Hundes am hinteren Ende des Gartens lag auf direkter Linie vor dem Fenster.
    Grady war sechs Jahre älter als beim Tod seines Vaters. Jetzt konnte seine Mutter offener als damals über Liebe und Verlust, über Trauer und Glauben und auch darüber mit ihm reden, wie akut ihr Schmerz war.
    Zwar hatte sie ihm die Tiefe ihres Leids und ihre Furcht um ihrer beider Zukunft vorenthalten – eine Zeit lang hatte die Gefahr bestanden, sie könnten das Haus verlieren –, doch sie hatte ihn nie getäuscht. Sie hatte ihm immer nur das erzählt, wovon sie glaubte, er sei alt genug, um damit umgehen zu können.
    Am Abend des Tages, an dem Sneakers gestorben war, wurde Grady klar, dass all die hervorragenden Eigenschaften seiner Mutter einer und derselben grundlegenden Tugend entsprangen. Sie liebte die Wahrheit und sie log nicht.
    Bis zu ihrem letzten Atemzug, den sie viel zu jung tat, erzählte sie ihm nie etwas Unwahres. Sie war der Grund dafür, dass Grady auf nichts größeren Wert legte als auf Wahrhaftigkeit.
    In der heutigen Zeit wurde das Getriebe der Zivilisation mit Lügen geschmiert. Wahrheitsliebe und Eintreten für die Wahrheit wurden selten belohnt und oft sogar bestraft.
    Also kehrte man heim in die Berge, und man schreinerte Tische und Stühle und Truhen im Stil des einen oder anderen führenden Kunsthandwerkers. Die simplen Materialien und die klaren Linien derartiger Einrichtungsgegenstände zeigten deutlich, wo ein Tischler es wagte, das Verfahren abzukürzen oder eine minderwertige Technik anzuwenden. Ehrliches Handwerk und persönliches Engagement für Qualitätsarbeit waren einem fertigen Stück deutlich anzusehen, und niemand konnte die Wahrheit der geleisteten Arbeit zu einer Lüge verdrehen.

    Während Grady am Tisch saß und in die Nacht hinausschaute und Merlin an der Glastür Wache hielt, wurde das südliche Ende des mondbeschienenen Gartens plötzlich etwas heller, als es gerade noch gewesen war. Die Lichtquelle befand sich außerhalb des Gesichtsfelds der beiden.
    Grady stand auf, ging um den Tisch herum und presste sein Gesicht ans Fenster. Er rechnete damit, in der Werkstatt, die er vorhin abgeschlossen hatte, Lichter brennen
zu sehen. Stattdessen kam der Schein von der Garage, an die die Werkstatt angebaut war.
    Trotzdem wusste er, dass dieser Eindringling derselbe sein musste, der eine Runde durch die Werkstatt gedreht und später die gebratenen Hühnerbrüste mitgenommen hatte.

14
    Als er den blutigen Handabdruck auf der Wand am oberen Ende der Kellertreppe sah, spielte Henry Rouvroy mit dem Gedanken, aus der Schrotflinte Schüsse in die Dunkelheit dort unten abzugeben. Zurückhaltung war kein Charakterzug, den er von Natur aus besaß, doch es gelang ihm trotzdem, dem Drang, den Abzug zu betätigen, nicht nachzugeben.
    Als er das Licht einschaltete, stellte er fest, dass ihn am unteren Ende der Treppe niemand erwartete. Er stieß den angehaltenen Atem aus.
    Als er horchte, ob von unten Geräusche zu hören waren, gelangte er zu der Überzeugung, dass ihn dort unten jemand seinerseits belauschte.
    Fast hätte er einen Namen geflüstert, aber er bewahrte sein Schweigen, weil er fürchtete, eine vertraute Stimme könnte ihm antworten.
    Jeder im Keller konnte durch die hintere Tür hinaus, von der eine Außentreppe zum Rasen hinaufführte. Henry konnte den Eindringling nicht dort einsperren, aber er konnte ihn daran hindern, auf diesem Weg ins Erdgeschoss zurückzukehren.
    Nachdem er das Licht im Keller ausgeschaltet hatte, schloss er die Tür und schob von außen den Riegel vor. Er bezweifelte, dass der Riegel einem entschlossenen Ansturm standhalten würde. Daher holte er einen Stuhl aus
der nahen Essecke, kippte ihn auf die hinteren Beine und zwängte die Lehne unter den Türknauf.
    Dann setzte er seine Durchsuchung des Hauses fort, vergewisserte sich, dass sich nirgends jemand verbarg, und stellte sicher, dass die Fenster verriegelt waren.
    Im Schlafzimmer hatte er die Pistole, mit der er Jim und Nora erschossen hatte, auf dem Bett liegen lassen. In seiner Abwesenheit hatte jemand die Waffe an sich gebracht. Das Schulterhalfter und das Reservemagazin waren ebenfalls verschwunden.
    Ein kleiner Blutschmierer stach leuchtend vom Beige der Chenilledecke ab.
    Zwei Bereiche waren noch zu durchsuchen – der Wandschrank und das Badezimmer. Beide Türen befanden sich in derselben Wand und waren geschlossen.
    Henry stellte

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