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Die Unbekannten: Roman (German Edition)

Die Unbekannten: Roman (German Edition)

Titel: Die Unbekannten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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neugierig musterte.
    Jenseits des Fensters, jenseits der dunklen Veranda, schien der brennende Mond den Garten und die Bäume mit seiner phosphoreszierenden Asche bestäubt zu haben. Die Nacht war so still, als regte sich kein Lüftchen.
    Dann rührte sich etwas im Mondschein: flink, geschmeidig, auf allen vieren, weiß. Sie waren zu zweit.

16
    Das teuerste der fünf Restaurants im Casino hatte eine große Bar, in der Gäste auf einen freien Tisch warten konnten. Der Fußboden bestand aus schwarzem Marmor, in den kleine rautenförmige Intarsien aus goldenem Onyx eingesetzt waren. Die Wände waren mit demselben Marmor verkleidet, allerdings ohne die Onyxrauten. In einer sehr plastischen Decke aus schwarzem Marmor schimmerten am unteren Ende jedes Deckenfeldes Blenden aus durchscheinendem goldenem Onyx, die von hinten beleuchtet waren. Anstelle eines Spiegels hinter dem Tresen aus schwarzem Marmor waren in riesige Onyxblenden, die von hinten angestrahlt wurden, Silhouetten von Art-déco-Wölfen in immerwährendem Sprung eingelassen.
    Wenn Dracula nebenbei in Schwarzarbeit als Innenarchitekt tätig gewesen wäre, hätte er einen solchen Raum entwerfen können.
    Am Tresen saß Lamar Woolsey und bestellte sein einziges alkoholisches Getränk des Abends, eine Flasche Elephant Beer, ein Import aus Dänemark.
    Einige Leute an den Cocktailtischchen warteten darauf, dass ihnen der Oberkellner sagte, ihre Esstische seien jetzt bereit, aber die Gäste am Tresen waren nicht zum Abendessen hergekommen. Es waren vorwiegend Männer, aber beide Geschlechter waren dem Casinobetrieb
entflohen, um sich eine Atempause von ihrem selbstzerstörerischen Tun zu gönnen.
    Ihre Laune reichte von aufgesetzter Fröhlichkeit bis hin zu finsterer Versunkenheit, doch auf Lamar machten sie alle einen verzweifelten Eindruck.
    Sie waren voller Hoffnung an die Glücksspiele herangegangen. Emily Dickinson, die Dichterin, hatte geschrieben: »Hoffnung ist das Ding mit Federn/Das in der Seele hockt …« Aber wenn man seine Hoffnung auf das Falsche richtete, konnte sie ein Habicht mit scharfem Schnabel sein, der die Seele und das Herz zerfleischte.
    Auf seine lockere, umgängliche Art quatschte Lamar sechs Personen an, die auf der Flucht vor den Karten und den Würfeln waren, als sie kamen und gingen. Früher oder später wurde er mit jedem seiner Gesprächspartner kurz philosophisch und sagte dann: »Denken Sie nicht nach, antworten Sie nur. Was ist das erste Wort, das Ihnen in den Sinn kommt, wenn ich Hoffnung sage?«
    Während er sich an seinem Bier festhielt, wusste er, dass die richtige Antwort nicht unter den fünf ersten war: Glück, Geld, Geld, Veränderung, keine .
    Der sechste dieser kurzzeitigen Gefährten, Eugene O’Malley, schien Ende zwanzig zu sein. Er hatte ein so unschuldiges Gesicht und ein so bescheidenes Auftreten, dass die Bartstoppeln und blutunterlaufene Augen ihn nicht verkommen wirken ließen, sondern nur den Eindruck vermittelten, er sei in Bedrängnis.
    Mit beiden Armen auf der Bar und die Hände um eine Flasche Dos Equis geschlungen, erwiderte er: »Zuhause«, um Lamars Frage zu beantworten.
    »Wo sind Sie zu Hause, Mr. O’Malley?«
    »Nennen Sie mich Gene. Ich bin nicht weit von hier zu Hause, gleich drüben in Henderson.«
    »Was haben Sie dort, das Ihnen Hoffnung macht?«
    »Lianne. Sie ist meine Frau.«
    »Sie ist eine gute Ehefrau, stimmt’s?«
    »Lianne ist die Beste.«
    »Warum sind Sie dann hier, O’Malley?«
    »Angeblich bin ich bei der Arbeit. Als Vorarbeiter eines Bautrupps, der die Nachtschicht hat.«
    Lamar sagte: »Ich sehe hier niemanden, der etwas anderes als Mist baut, den er morgen bereuen wird.«
    »Wer braucht bei dieser Wirtschaftslage eine Nachtschicht? Vor einer Woche habe ich meinen Job verloren. Ich kann mich nur nicht dazu durchringen, es Lianne zu sagen.«
    »Aber mein lieber O’Malley, wenn sie eine so gute Frau ist …«
    »Sie ist im Juli gefeuert worden. In sechs Wochen bekommen wir ein Baby.«
    »Also haben Sie sich gesagt, nun sei eine Glückssträhne fällig.«
    »Da habe ich mich getäuscht, Ed.«
    Lamar hatte sich als Edward Lorenz vorgestellt. Jetzt fragte er: »Haben Sie viel verloren?«
    »Im Moment ist jeder Betrag eine Menge. Ich habe vierzehnhundert verspielt, die Hälfte meiner Abfindung. Ich weiß selbst nicht, was passiert ist, ich muss irgendwie den Verstand verloren haben.«
    Nachdem er seine Flasche Elephant Beer ausgetrunken
hatte, sagte Lamar: »Sie sind doch keiner dieser

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