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Die Unbekannten: Roman (German Edition)

Die Unbekannten: Roman (German Edition)

Titel: Die Unbekannten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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Träume, an die er glaubte und von denen er sich leiten ließ, waren immer Todesträume, düstere Vorahnungen, bedrohlich und verlockend zugleich.
    Bisher hatte er nie erwartet, im Wachen Zeichen und Omen zu sehen. Vielleicht würde er ja gar keine sehen. Doch der Vorfall auf dem menschenleeren Parkplatz hatte
ihn total verändert. Es würde ihn nicht wundern, wenn er zumindest ahnte, dass ihm profane Dinge den Weg wiesen – wie Blaureiher und ferne Schiffe –, die plötzlich größere Bedeutung zu haben schienen und einer Auslegung bedurften.
    Der feuchte, kompakte Sand unter seinen Füßen. Das weite, in Nacht gehüllte Meer zu seiner Rechten. Der Himmel hart und kalt, aber mit Sternen getüpfelt. Zu seiner Linken das Land, die Schnellstraßen und die Städte, die Menschen und ihr Leid, die unendlichen Möglichkeiten, die unsäglichen Gräueltaten, die Welt, die für ihn schon lange verloren war, alles, was für ihn hätte sein können, aber niemals gewesen war, und vielleicht jetzt seine Zukunft.

30
    Auf dem Fußschemel hielt Cammy Puzzle auf ihrem Schoß. Sie begann mit den pelzigen Ohren, deren Form sie an Calla-Lilien erinnerten, setzte ihre Erkundung über den Hals zu den Schultern fort und arbeitete sich mit den Fingern bis zur Unterwolle vor, wobei sie die geschmeidigen Muskeln des Geschöpfs massierte. Sie staunte über das, was sie vorfand – oder, genauer gesagt, darüber, was sie nicht vorfand. »Ich kann nirgendwo eine Zecke ertasten. Nicht eine einzige. Und sie scheint auch keine Flöhe zu haben.«
    Grady schnitt eine Grimasse und sagte: »Ich habe nicht an Zecken und Flöhe gedacht, als ich sie ins Haus ließ.«
    »Keine Zecken, keine Flöhe – sie kann nicht mehr als einen Tag durch Feld und Wald gestreift sein, wahrscheinlich sogar noch nicht einmal das.«
    »Als Merlin und ich sie heute Nachmittag auf der Wiese gesehen haben, sind sie herumgetollt, als seien sie gerade erst freigelassen worden. Vielleicht war es ja so.«
    »Auch keine Papillome oder Zysten«, berichtete Cammy.
    Sie hob ihre Hand an ihr Gesicht und stellte fest, dass kein unangenehmer Geruch von dem weißen Fell auf ihre Haut übertragen worden war. Jetzt beugte sie sich vor und hielt ihre Nase an das Fell auf Puzzles Bauch.
    »Sie riecht so frisch, als sei sie gerade erst gebadet worden.«
    Merlin, der sich ignoriert fühlte, ließ die Spielzeugente fallen, schob seinen großen Kopf vor, legte sein Kinn auf Puzzles Brust und verdrehte die Augen, während er Cammy ansah.
    Bevor Cammy den Hund streicheln konnte, nahm Puzzle Merlins Schnauze in beide Hände und begann mit ihren kleinen Fingern sein Gesicht zu massieren – die Form von Zuwendung, die er am liebsten hatte.
    »Sieh nur«, flüsterte Cammy, als würde ein lautes Wort den Bann brechen.
    »Ja, ich sehe es.«
    »Sollte sie sich vor einem so großen Hund nicht wenigstens ein bisschen fürchten?«
    »Ich glaube nicht, dass sie sich vor irgendetwas fürchtet«, sagte Grady. »Ich glaube nicht … also, ich glaube, sie weiß nicht mal, dass sie sich vor manchen Dingen fürchten sollte.«
    »Was für ein seltsamer Gedanke.«
    Er zog die Stirn in Falten. »Ja, nicht wahr? Aber diese beiden haben etwas an sich … etwas, das mich auf den Gedanken bringt, sie hätten vielleicht noch nie echte Furcht erlebt.«
    Während sie zusah, wie Puzzle das Gesicht des Wolfshundes streichelte, sagte Cammy: »Wenn das wahr ist, dann bestünde genau darin der größte Unterschied. Jedes Lebewesen kennt Furcht.«
    Riddle ließ die Polster unordentlich zurück, sprang vom Sofa und huschte, als hätte er ihn erst jetzt bemerkt,
zu einem Stickley-Schreibtisch, den Grady in den ersten Monaten nach seiner Rückkehr in die Berge geschreinert hatte. Es war ein zauberhaftes Möbelstück aus Walnussholz mit Beschlägen aus gehämmertem Kupfer und mit Einlegearbeiten aus Zinn.
    Riddle saß auf seinem Hinterteil und tippte mit einem Finger wiederholt gegen den kupfernen Griff an der rechten Tür, der melodiös an die Abdeckung des Schlüssellochs stieß.
    Auf Cammys Schoß schob Puzzle Merlin beiseite und hob den Kopf weit genug, um zu sehen, was ihr Gefährte da machte.
    Riddle drehte seinen Kopf zu ihr um und sah sie an.
    Einen Moment lang schaute Puzzle ihm fest in die Augen.
    Riddle begab sich zur linken Tür und tippte gegen den baumelnden Griff, wie er es schon bei dem ersten getan hatte.
    Wieder drehte er seinen Kopf zu Puzzle um.
    Wie zuvor sah sie ihm fest in die Augen, und nach einem kurzen

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