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Die Unbekannten: Roman (German Edition)

Die Unbekannten: Roman (German Edition)

Titel: Die Unbekannten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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Zögern wandte er sich von dem Schreibtisch ab.
    Mittels irgendeines subtilen Gesichtsausdrucks oder sogar mit einer noch subtileren Geste, die Cammy entgangen war, schienen sich die beiden hinsichtlich des Schreibtischs verständigt zu haben.
    Grady hatte offenbar denselben Eindruck. »Was war das jetzt gerade?«
    Riddle flitzte zu dem lila Karnickel, schnappte es mit seinen Zähnen, raste aus dem Wohnzimmer in die Eingangshalle
und von dort aus die Treppe hinauf. Dabei biss er auf das Spielzeug, damit es quietschte.
    Merlin, der für eine Verfolgungsjagd jederzeit zu haben war, lief hinter ihm her.

31
    Im Kleiderschrank des Schlafzimmers lauschte Henry Rouvroy, ob sich im Haus etwas rührte. Er versuchte, nicht an den Körper zu denken, der im Bett auf der Seite lag. Es war kein echter Körper, nur eine Attrappe aus Kopfkissen und Decken, eine Täuschung, die er selbst erschaffen hatte, sonst nichts, nur das und sonst gar nichts.
    Niemand konnte das Haus betreten, die Bestandteile der Attrappe unter das Bett gezwängt haben und unter die Decke geschlüpft sein, um den Platz des angeblichen Schläfers einzunehmen. Henry hätte es gehört. Er hätte den Eindringling dabei gestellt.
    Natürlich hatte er, nachdem er die Gegenstände im Bett arrangiert hatte, eine volle halbe Stunde im Bad damit zugebracht, den Schmutz unter seinen Fingernägeln wegzuschrubben. Als er am Waschbecken gestanden hatte, hatte er der Tür den Rücken zugekehrt und das Schlafzimmer nicht sehen können.
    Danach, während seiner letzten Durchsuchung des Hauses, hatte er lange Zeit vor der Kellertür gestanden, den Lichtschein gemustert, der unter ihr hindurchfiel, und auf Geräusche von unten gehorcht. An jenem Standort hätte er es mitbekommen, wenn jemand versucht hätte, durch die Hintertür hereinzukommen, aber einen Eindringling, der durch die vordere Tür eintrat, den hätte er nicht bemerkt.
    »Einfach lachhaft«, zischte Henry in dem dunklen Schrank, in dem Nora früher ihre Kleider aufbewahrt hatte.
    Sein gesichtsloser Peiniger war kühn, aber nicht leichtsinnig. Kein Gegner, der so klug war, würde sich angreifbar machen, indem er den Platz der Attrappe einnahm.
    Nur ein Wahnsinniger würde sich ein solches Bravourstück leisten, ein Wahnsinniger oder jemand, der den Tod nicht fürchtete, weil …
    »Lass bloß die Finger davon«, murmelte er.
    Da er bereits den Gedanken an seinen gesichtslosen Peiniger zugelassen hatte, nahm dieser so unweigerlich wie eine Lawine seinen Lauf. Sein Bruder Jim war gesichtslos, weil ihn eine Kugel im Gesicht getroffen hatte; außerdem fürchtete Jim den Tod nicht, weil er bereits tot war.
    Für eine solche Logik wäre Henry mit Pfiffen und Buhrufen aus dem Debattierclub von Harvard ausgeschlossen worden.
    Um sich von diesen absurden Spekulationen abzulenken, versuchte er, sich seine liebste Fernsehköchin mit weit gespreizten Beinen und ausgebreiteten Armen auf dem Bett vorzustellen, an die vier Pfosten gebunden, markante Stellen ihres nackten Körpers von heimtückisch entworfenen Klemmen eingezwickt und um den Hals ein Würgehalsband.
    Er hielt sich für einen sehr fantasievollen Menschen. Daher ärgerte ihn die Feststellung, dass er keine befriedigenden sadistischen Sexszenen vor seinem geistigen Auge heraufbeschwören konnte, wenn er kein Bild der begehrten Frau vor sich sah.
    Schließlich konnte er wohl kaum am Fernseher den Kochkanal einschalten, während er im Kleiderschrank Wache hielt, und erwarten, dass ein Eindringling seine Gegenwart nicht bemerkte. Außerdem gab es im ganzen Haus kein Fernsehgerät.
    Wenn sich seine Unterhaltung in den kommenden Jahren ausschließlich auf die Frau im Kartoffelkeller beschränken würde, dann sollte er dort unten besser mehr als eine festbinden. Um sich gegen Langeweile abzusichern, wäre es ratsam, dort zwei oder drei weitere Zellen einzurichten, um eine Auswahl von Frauen in Bereitschaft zu haben.
    Sowie er all diese widerlichen Hühner verkauft oder sich der gackernden Geschöpfe anderweitig entledigt hatte, könnte er den Hühnerstall schalldicht isolieren und auch ihn in eine Reihe von Zellen verwandeln. Und die Scheune. Die Boxen der Pferde ließen sich leicht umrüsten, und das große Gebäude bot viel Platz für weitere Gefängniszellen. Die Menge hing nur davon ab, wie viel Energie und Zeit er dafür aufbrachte.
    Henry dachte daran, wie behaglich ihm in einer Winternacht zumute sein würde, wenn er sich hier im Haus mit dem Wissen ins Bett legte,

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