Die Unbekannten: Roman (German Edition)
einen Wald betreten, ganz gleich, wo.
Er richtete seinen Blick auch nicht auf irgendetwas jenseits der Autoscheiben, noch nicht einmal auf die Fenster selbst.
Es war passiert, Liddon würde niemals vergessen, dass es passiert war, aber letzten Endes spielte es keine Rolle. Er würde diesen Vorfall niemandem gegenüber jemals erwähnen. Was würde ihm das auch schon bringen?
Er öffnete den Umschlag, den ihm Rudy Neems zurückgegeben hatte, und zog die Fotografien heraus. Bilder vom Haus und vom Grundstück waren für ihn nicht von Interesse. Er fand Fotos von Kirsten und Benny. Seine Ehefrau und sein Sohn. Eine Frau und ein Junge. Eine andere und ein anderer. Unbekannt und unerkennbar.
Er steckte die Fotos wieder in den Umschlag.
Später, als das Zittern nachließ, wendete er auf der schmalen Straße und fuhr aus dem Wald heraus.
42
Um 6.35 Uhr Ortszeit in Colorado rief Dr. Eleanor Fortney aus Massachusetts an und weckte Cammy Rivers, die sich im Bett aufsetzte, um den Anruf entgegenzunehmen.
Eleanor besaß durchaus die Gabe, unverbindlich zu plaudern, machte jedoch diesmal keinen Gebrauch davon. »Da ich Sie kenne und weiß, wie verantwortungsbewusst Sie sind, kann das kein Scherz sein. Es sind keine bearbeiteten Bilder.«
»Nein. Sie sind echt, Eleanor. Sie …«
Die Zoologin fiel ihr ins Wort und sagte: »Sie haben sie sichergestellt?«
»Sie sichergestellt?«
»Die Tiere. In einem Käfig. Einem Hunde-Transportkorb. Einem Korb mit Vorhängeschloss. Mit diesen Händen wären simple Riegel leicht zu öffnen.«
»Nein, sie sind nicht eingesperrt. Sie sind bei Grady, in seinem Haus.«
»Rufen Sie ihn bitte gleich an. Sagen Sie ihm, er soll sie in eine Abstellkammer oder einen fensterlosen Raum sperren. Fenster haben Riegel.«
»Ich glaube nicht, dass er das tun wird.«
»Warum nicht? Warum um alles in der Welt sollte er das denn nicht tun?«
»Sie sind ganz niedlich. Sie scheinen sich, ähnlich wie
Hunde, zu Menschen hingezogen zu fühlen. Sie sind zutraulich. «
»Das kann keine allzu fundierte Meinung sein. Nicht nach der kurzen Zeit, die Ihnen zur Verfügung stand. Das ist nichts weiter als ein erster Eindruck.«
»Ja, sicher«, räumte Cammy ein, »ein erster Eindruck. Aber er kommt mir richtig vor. Eleanor, Sie würden es verstehen, wenn Sie hier wären und sie mit Ihren eigenen Augen sehen könnten.«
»Das mag schon sein, aber ich darf diese Geschöpfe nicht entwischen lassen.«
»Sie wollen überhaupt nicht entwischen. Sie wollen ein Zuhause. Sie fühlen sich bei Grady sichtlich wohl.«
»Sie schreiben ihnen menschliche Motive zu. Sie können nicht wissen, was sie wollen. Cammy, ich weiß , dass Ihnen klar sein muss, worum es sich handelt.«
Da sie nicht ohne weiteres in der Lage war, das Unbeschreibliche an Puzzle und Riddle in Worte zu fassen, die Eigenschaft, die einen Hinweis darauf gab, dass es sich um etwas ganz anderes handelte als um alles, wofür einem einleuchtende Erklärungen in den Sinn kamen, sagte Cammy lediglich: »Wir haben Theorien vermieden.«
»Sie sind künstlich erschaffen worden«, erklärte Eleanor. »Aus der DNA mehrerer Arten.«
»Der Gedanke ist mir auch schon gekommen.« Cammy warf ihre Zudecke zurück und setzte sich auf die Bettkante. »Aber derart komplexe Geschöpfe? So weit ist doch noch niemand fortgeschritten.«
»Heutzutage geht es nicht mehr nur darum, neue Bakterien zu entwickeln, um sie zu kleinen Fabriken zu machen,
die Insulin und Interferon produzieren. Es geht nicht mehr nur darum, das Bakterium Thiobacillus ferrooxidans zu modifizieren, damit es im Uranabbau besser einsetzbar ist. Darüber sind wir längst hinaus.«
»Ja natürlich, das weiß ich doch. Ein chinesischer Wissenschaftler hat ein Gen in Schweine eingepflanzt, das sie im Dunkeln grün leuchten lässt. Dort draußen geschehen alle möglichen verrückten Dinge. Aber wenn Puzzle und Riddle durch Gentechnologie entwickelt worden wären, dann wäre die Wissenschaft, die sie hervorgebracht hat, um Längen über das Kunststück mit den grün leuchtenden Schweinen hinaus.«
»Lassen Sie sich von mir auf den neuesten Stand bringen«, sagte Eleanor. »Bleiben wir einen Moment bei Schweinen. Wussten Sie schon, dass die Gentechnologie bei Schweinen radikale Eingriffe vornimmt, um zu erreichen, dass ihre Organe sich für die Transplantation in Menschen eignen?«
»Ich habe davon gehört.«
»Organe von Schweinen, die strukturell, chemisch und genetisch so menschlich sind, dass der Körper
Weitere Kostenlose Bücher