Die unbeugsame Braut
aber lange warten, liebe Mutter.«
»Willkommen in Paris, Euer Gnaden.« Lord Charles Whitworth, der britische Gesandte, schüttelte John Russell erfreut die Hand. »Ich habe für Sie hier in der Residenz eine Suite vorbereiten lassen.«
»Ich weiß Ihre liebenswürdige Gastfreundschaft sehr zu schätzen, Charles.«
»Die Zeit ist zwar knapp, doch würde mein Ansehen ungemein steigen, wenn der Duke of Bedford mich heute zum Empfang bei Napoleon begleiten könnte.«
»Es ist mir eine Ehre.« Nichts passte besser in seine Pläne als eine Einladung in die Tuilerien gleich an seinem ersten Abend in Paris.
Als John mit dem Gesandten und seiner Begleitung vor dem Schloss der französischen Könige eintraf, stiegen sie die von einer Doppelreihe schmucker Grenadiere flankierte Treppe hinauf, durchschritten drei Säle, in denen Militärkapellen spielten, bis sie im großen Empfangssalon endlich der mit Diamanten behängten Josephine vorgestellt wurden. John fand es amüsant, dass ihre schläfrigen Augen unverblümt über seine hohe Statur glitten und ihr sinnliches Lächeln ihm verriet, dass ihr gefiel, was sie da sah.
Im Saal, wo das Dinner serviert wurde, hatten livrierte Diener entlang der Wände Aufstellung genommen.
»Das ist viel prächtiger als alles, was in St James’s Palace geboten wird.« Johns höfliches Lächeln verbarg seine Belustigung.
»Das Zeremoniell von Napoleons Hofhaltung ist wirklich eindrucksvoll«, pflichtete Whitworth ihm bei.
Johns Blick wanderte durch den verspiegelten Raum, und seine Augen suchten Georgina unter den Gästen. Er sehnte sich danach, sie zu sehen, zugleich hoffte er, sie würde nicht anwesend sein. Der Gesandte blieb stehen, um mit dem Marquess of Cornwallis und Lord Brome, dessen Sohn, zu sprechen. John erkannte in Bromes schöner Frau Georginas Schwester Louisa. Sie trug ein durchsichtiges Kleid nach neuester Pariser Mode, das ihre Brüste gewagt zur Schau stellte. John wusste nicht, was er denken sollte.
Whitworth machte ihn schnell noch mit Markoff, dem russischen Gesandten, bekannt, bevor eine Fanfare die Gäste zum Schweigen aufforderte – Napoleon und Josephine betraten den Saal. Als der Erste Konsul seine Gemahlin zu ihrem erhöhten Platz geleitete, sah John, dass sie ihn um einen Kopf überragte, und er musste heimlich grinsen.
Nachdem alle Gäste Platz genommen hatten, traten die livrierten Diener an die langen Tafeln und füllten die Gläser mit Champagner. Napoleon brachte einen Toast auf seine Gäste aus, dann wurde der erste Gang aufgetragen.
In diesem Moment tauchte, ohne jedes Anzeichen von Verlegenheit, die Duchess of Gordon auf, gefolgt von ihrer Tochter. Sie schritt bis zu den erhöhten Sitzen, sank in einen Knicks und nahm sodann mit größter Selbstverständlichkeit einen Platz in der ersten Reihe ein.
Johns Blick hing an Georgina, die ein graues Seidenkleid mit dezentem Halsausschnitt trug. Sie hielt den Blick gesenkt, und ihre Wimpern lagen wie dunkle Halbmonde auf ihren bleichen Wangen. Sein Herz fühlte mit ihr, und wieder einmal verwünschte er Jane Gordons unverfrorenes Benehmen.
Erstaunt sah er, dass ein junger Mann und eine junge Dame von ihren Sitzen aufsprangen, als Georgina sich näherte. Die beiden führten sie zu einem Platz, der offenbar für sie frei gehalten worden war.
John erkannte Eugène Beauharnais auf den ersten Blick. In der hübschen Begleiterin vermutete er seine Schwester Hortense. John verließ der Mut, als er sah, mit welch vertraulicher Aufmerksamkeit Georgina von ihnen behandelt wurde.
Es war nicht zu übersehen, dass der junge Beauharnais in die englische Schöne verliebt war. Allerdings glaubte John, dass Bonaparte mit seiner unersättlichen Gier nach Macht und Anerkennung mit seinem Stiefsohn andere Pläne hatte. Mit ihm würde sich hervorragend eine Verbindung zu einer der alten königlichen und kaiserlichen Dynastien Europas herstellen lassen. Dem Jungen wird es das Herz brechen, doch er wird sich Napoleons Befehl beugen.
Nach dem Bankett trafen sich die Gäste in einem anderen prunkvollen Saal zu geselligem Geplauder, und Whitworth stellte seinen Gast zahlreichen Würdenträgern vor. Nachdem er drei französische
Generäle begrüßt hatte, entschuldigte John sich. Ihm reichte es. Noch vor zwei Monaten waren sie unsere erbitterten Gegner …
Außerdem wollte er Georgina treffen. Zunächst sah er die Duchess of Gordon und ihre Tochter Louisa im Gespräch mit Josephine Bonaparte, dann endlich entdeckte er
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