Die unbeugsame Braut
entgehen, den Sie so leicht hätten verhindern können. Georginas Ruf ist in Scherben, ihre Aussicht
auf eine Heirat dahin. Es ist Ihre Pflicht, ihre Ehre wiederherzustellen!«
Johns Herz sank. »Ihre Schwester ist in Schottland?«, fragte er tonlos.
»Schottland, dass ich nicht lache! Der kleine Wirbelwind ist in Paris.«
24
D u bist herzlich eingeladen, bei mir am Russell Square zu wohnen, während deine Frau in Paris ist«, forderte John seinen Freund Henry auf. »Das Haus ist so leer, dass ich deine Gesellschaft sehr zu schätzen wüsste.«
»Danke, John.« Holland legte seine Serviette auf den Tisch und griff nach seinem Glas. »Da dein Koch dem meinigen haushoch überlegen ist, bleibe ich nur zu gern einige Tage. Hast du deinen Sitz im Oberhaus bereits eingenommen?«
»Noch nicht, aber vielleicht diese Woche, nachdem ich einiges erledigt habe. Ich möchte Humphrey Repton mit der Gestaltung der Gärten von Woburn beauftragen. Sie sind ziemlich verwildert.« John griff nach seinem Glas. »Mir wird das Unterhaus fehlen. Vielleicht könnte ich hinter den Kulissen ein paar Fäden ziehen, damit William Pitt wieder als Premier eingesetzt wird.«
»Verdammt gute Idee. Unter Addington ist das Parlament wirklich handlungsunfähig.«
»Na, wenigstens wurde in diesem Frühjahr eines erreicht – Cornwallis unterzeichnete den Friedensvertrag von Amiens mit dem Ersten Konsul.«
»Meine Frau schreibt mir, dass halb London sich in Paris trifft. Alle wollen Napoleon und die Familie Bonaparte treffen. Offenbar hält man dort Hof, als wäre man königlichen Geblütes.«
»Entweder erkennt man die Ironie darin nicht, oder man schert sich nicht darum.«
»Meinst du die englischen Aristokraten oder die Bonapartes?«
Zum ersten Mal seit Wochen lachte John. »Wohl beide.«
»Das Nachtleben soll spektakulärer sein als alles, was London zu bieten hat. Beth ist täglich zu einem Ball oder einer Dinnerparty eingeladen.«
»Zweifellos werden ihre Schneiderrechnungen astronomische Höhen erreichen.«
»Zweifellos. Sie schreibt, die englische Mode sei passé. Alle Damen wollen Pariser Modelle, wiewohl diese offenbar schockierend sind. Beth bemüht sich übrigens, Lady Georgina zu überreden, ihre Trauerkleidung abzulegen und mit ihr einkaufen zu gehen.«
Die Erwähnung Georginas rief John in Erinnerung, wie bleich und verloren sie in ihrem schwarzen Kleid ausgesehen hatte. »Na, hoffentlich gelingt es Beth. Ich wünsche ihr, dass sie zu ihrer früheren Lebensfreude zurückfindet. Vielleicht wird Paris ihren Kummer lindern.« Ich möchte, dass Georgy wieder lacht und flirtet und freche, unerhörte Dinge sagt.
»Laut Beth hat Georgina bereits eine Eroberung gemacht. Eugène Beauharnais, Napoleons Stiefsohn, schmachtet die junge Schöne an, ohne Ermutigung ihrerseits allerdings.«
John zog die dunklen Brauen zusammen. Wieder verspürte er die vertraute innere Anspannung. »Die Duchess of Gordon täte gut daran, ihre Tochter vor unerwünschten Aufmerksamkeiten zu schützen.«
»Wie ich Jane Gordon kenne, wird sie alles in ihrer Macht Stehende tun, um Eugène als Ehemann für Georgina zu angeln.«
John war fassungslos. »Das ist doch nicht dein Ernst?«
»Mein völliger Ernst. Sie ist eine skrupellose Kupplerin, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, ihren Töchtern Männer aus der Hocharistokratie zuzuführen. Josephines Sohn steht als Napoleons Stiefsohn mit einem französischen Prinzen auf einer Stufe. Jane wird da kaum widerstehen können.«
John wechselte das Thema, und sie sprachen über Politik, bis es Zeit war, sich zurückzuziehen. Kaum aber lag er im Bett, als Gedanken an Georgina sein Bewusstsein überfluteten. Eugène Beauharnais
ist in ihrem Alter. Er soll gut aussehen und hat sich auf dem Schlachtfeld bewährt. Sie muss ihn attraktiv finden.
Diese beunruhigenden Überlegungen hielten ihn stundenlang wach. Er wünschte zwar, dass Georgina Francis nicht mehr betrauerte, andererseits aber wollte er nicht, dass sie ihr Herz einem anderen Mann schenkte. Er erkannte, dass alle seine Bemühungen, sein Verlangen nach Georgina Gordon zu unterdrücken, vergeblich gewesen waren.
»Ich möchte sie für mich.« Zum ersten Mal sprach er es laut aus. Das Eingeständnis steigerte sein Schuldbewusstsein, das er empfand, weil er die Auserwählte seines Bruders begehrte. John hieb frustriert auf seine Kissen ein und schwor sich, dass seine Besessenheit ein Ende haben müsse.
Beim Frühstück am nächsten Morgen
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