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Die undankbare Fremde

Die undankbare Fremde

Titel: Die undankbare Fremde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irena Brezna
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Hochzeit hatte sie ihn gewarnt:
    »Ich bin fünfzehn Jahre älter als du, willst du diesen Sack mit dir herumschleppen?«
    Für ihn war es ein Sack voller Juwelen. Eine Golschmiedin, die in den großen Städten der Welt gelebt hat. Mit der Lupe blickte sie auf feine Glitzersteine, während er in seiner Heimat mit dem Lastwagen voller Kieselsteine herumfuhr. Nur zu gerne verließ er die staubigen Landstraßen und kurvte dann in ihren wuchtigen Falten, bis er sich in diesem Felsbrocken von 120 Kilogramm verloren hatte.
    Vom Bett setzt er sie auf den Rollstuhl, von dort hievt er sie auf die Toilette, den großen Bauch schiebt er von der Seite zwischen ihre Beine, bis dieser tief über der Kloschüssel hängt. Unterwegs verliert sie Harn und Stuhl. Das nennt er turbulente Zeiten: Alles aufwischen, die Bettwäsche waschen, bei ihm muss alles blitzblank sein. Diabetes hat sie, künstliche Herzklappen und seit Monaten eitert eine offene Wunde am Bein.
    »Wahre Elefantenbeine«, schmunzelt er.
    Wenn er ihr das Bein hochhebt, wird ihm schwindlig. Das kommt von der verengten Schlagader am Hals. Dazu Asthma, Hämorrhoiden, ach ja, ein Bänderriss und entzündete Kieferknochen und der Darm ist dahin, er muss eine Windel tragen, wenn er aus dem Haus geht. Auch er ist nämlich krank.
    Der Arzt versucht den Sack voller Leiden, den ihm der Patient vor die Füße leert, auseinanderzunehmen, welches ihm und welches ihr gehört und seit wann. Aber der Mann weiß nicht mehr, wo sein Körper aufhört. Um drei Uhr nachts spritzt er der Ehefrau das letzte Mal Insulin, dann schläft er im Ehebett ein. Frühmorgens achtet er auf das Schmerzstöhnen, um ihr die Wunde am Bein zu reinigen. Dann heißt es kochen, schnell einkaufen, wieder Insulin spritzen, dazwischen die aufwendigen Gänge zur Toilette, bis endlich der Abend kommt und die Fernsehshow »Wer wird Millionär?«. Nach getaner Arbeit die Frau neben sich zu wissen, gewaschen, satt, das lässt ihn fast unbekümmert werden.
    Sie neckt ihn:
    »Du bist vor dem Fernseher eingenickt. Na so was!«
    Er lacht.
    »Wie fühlen Sie sich, wenn Sie wissen, dass Ihre Frau jetzt für zwei Stunden alleine zu Hause ist?«
    »Schrecklich. Was, wenn sie Durchfall bekommt, wie schafft sie es zur Toilette?«
    Von den körperlichen Strapazen berichtet er ohne Ekel und ohne sich aufzulehnen. Denn:
    »Sie braucht mich.«
    Erst als er von der Empfehlung einer Psychologin erzählt, sich ein paar Wochen Urlaub zu nehmen, kommt Wut auf. Sie habe den baren Unsinn behauptet, jeder Mensch habe das Recht, sich nur um sich selbst zu kümmern.
    »Und wie soll das bitte schön gehen?«
    Das Ehepaar hat sich längst eingeigelt ins kranke Gewebe, beschränkt sich auf einen professionell körperbezogenen Umgang – Pflegerinnen kommen ins Haus, doch ihre Hilfe schätzt er nicht. Er will sich die alleinige Kompetenz nicht nehmen lassen.
    Früh hat er gelernt, dass der Mensch für die anderen da ist. Von den neun Kindern, die seine Mutter zur Welt gebracht hatte, sind drei früh gestorben. Mitten in der Feld arbeit gebar sie Zwillinge, und obwohl sie die Mädchen schnell in den Backofen stellte, starben sie an Lungenentzündung. Danach kam er zur Welt und nach ihm Jahr für Jahr ein Bruder. Die Kinder hatten Aufgaben in Haus und Stall, während die Mutter Kartoffelsäcke anschleppte. Einmal kam sie traurig nach Hause, er fragte, was los sei, und für die Fragerei bekam er eine Ohrfeige. So erfuhr er vom Tod seiner jüngsten Schwester. Danach war Schluss mit dem Gebären, der Vater war im Suff in den Bach gefallen und erfroren. Nein, er trinke nicht. Er hat die Werte der Mutter übernommen. Seine Hingabe könnte einer ganzen Kinderschar zugutekommen. Seine Kinderlein sind jedoch Krankheiten, und diese werden nie erwachsen und das Haus verlassen, sondern Jahr für Jahr Geschwister bekommen.
    Die Hausärztin hat die Abklärung einer Invalidität beantragt, aber er behauptet sich stolz vor dem prüfenden Arzt:
    »Ich bin hundertprozentig arbeitsfähig. Die Pflege meiner Frau ist eine volle Arbeitsstelle.«
    Obwohl ich ihm ein chirurgisches Messer wünsche, das ihn von seiner Selbstzerstörung abschneidet, sage ich das Gegenteil, würdige den sozialen Wert:
    »Sie sind ein guter Mensch.«
    »Ach nein, das würde doch jeder tun.«
    Gespielt bescheiden abzuwinken, das gehört sich so in der Kultur der Selbstaufgabe, die immer noch tief in mir ruht und die er jetzt geweckt hat. Ich liefere ihn nicht ans scharfe rettende Messer, das

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