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Die Unermesslichkeit

Die Unermesslichkeit

Titel: Die Unermesslichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Vann
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hundeelend.
    Okay, sagte er. Klingt nach Nebenhöhlenentzündung.
    Genau, sagte Rhoda.
    Das muss geröntgt werden. Ich muss sehen, wie schwerwiegend es ist.
    Kannst du mir jetzt Schmerztabletten geben?
    Morgen, sagte er.
    Das hilft mir nicht besonders.
    Tut mir leid, Irene, mehr kann ich nicht tun. Ich muss wissen, was ich behandle. Er stand auf, tätschelte ihr die Schulter und ging.
    Rhoda begleitete ihn zu seinem Wagen, einem Lexus,der unten ganz schlammverkrustet war. Entschuldige, sagte sie. Sie fühlt sich einfach nicht gut.
    Klar, sagte er. Komm morgen früh mit ihr rein. Dann stieg er ins Auto und fuhr weg. Rhoda war mit ihm zur Schule gegangen, ab der Grundschule. Und jetzt war er reich und durfte Gott spielen, während sie Hunde zunähte und Kot untersuchte.
    Als Rhoda ans Bett zurückkehrte, wollte ihre Mutter die Schmerztabletten.
    Okay, Mom, sagte sie. Ich habe Vicodin. Aber nur eine alle vier Stunden. Nicht mehr, oder du kriegst Probleme. Es kann auch sein, dass dir schwindelig wird. Es kann auch noch andere Nebenwirkungen haben.
    Mach einfach, dass es aufhört, sagte Irene. Mir egal, wenn mir die Haut abfällt oder eine dritte Titte wächst. Ich will nur schlafen und nichts fühlen.

A n der Abzweigung zum Campingplatz Lower Salmon River stand Monique neben einem der blauen Beton-Iglus, die einmal Souvenirläden waren; sie sah aus wie eine Tramperin oder eine Motorradbraut. Angst und schlechtes Gewissen waren bereits jetzt gewaltig. Jim dachte daran, einfach vorbeizufahren, aber sie hatte ihn im Blick.
    Nette Kutsche, sagte sie beim Einsteigen. Platz für zwölf.
    Ja, ist ziemlich geräumig, sagte Jim. Es war bloß ein Chevy Suburban, und er wusste nicht recht, ob sie sich über ihn lustig machte. Wie kommt es, dass du so weit draußen wohnst? Es sind über zwanzig Minuten nach Soldotna.
    Carl kommt gern rum, um möglichst viel zu sehen. Er denkt, wenn er alles sieht, bleibt was hängen.
    Carl?
    Ja, Carl.
    Wer ist Carl?
    Mein Freund. Wir sind zusammen hier.
    Ach, sagte Jim, als wäre gerade eine Welt zusammengebrochen.
    Macht doch nichts, sagte Monique. Ist ja nicht so, als wäre ich verheiratet.
    Nein. Nein, sagte Jim. Stimmt. Ist ja nicht so, alswärst du verheiratet. Hey, ist auch nicht so, als wäre ich verheiratet.
    Bist du denn mit jemandem zusammen?
    Nein, eigentlich nicht.
    Hm, sagte Monique, und Jim fragte sich, ob sie bereits von Rhoda wusste. Dann fiel ihm ein, dass er Monique über Rhodas Bruder Mark kennengelernt hatte. Monique hatte also bestimmt von Rhoda gehört oder sie sogar schon kennengelernt. Wer weiß, vielleicht wurden sie demnächst Freundinnen.
    Scheiße, sagte Jim, statt es bloß zu denken.
    Was?
    Ach, Entschuldigung. Ich habe nur was Wichtiges vergessen.
    Blöd.
    Ja. Jim fragte sich, wie er die nächsten zwanzig Minuten überstehen sollte. Irgendwie hatte er sich vorgestellt, dass sie erst ein bisschen flirten und sich dann bei ihm in die Arme fallen würden.
    Wo kommst du eigentlich her?, fragte er.
    Washington, D. C., sagte Monique. Wo es nicht schön ist und es keine Berge gibt.
    Was machen deine Eltern dort? Er hoffte, in etwa ihr Alter ermitteln zu können.
    Meine Mutter ist ein großes Tier bei der AID.
    Ah, sagte Jim. Er konnte nicht einfach zugeben, dass er nicht wusste, was die AID war. Wahrscheinlich irgendeine Organisation oder ein Teil der Regierung. Er las nicht allzu viel Zeitung.
    Was macht sie denn da genau?, fragte er.
    Vor allem Gesundheitsprogramme, sagte Monique. Von der Ausbildung her ist sie medizinische Anthropologin. Sie fliegt immer irgendwohin, wo sie mich nicht mitnimmt, und kommt mit Schuhen oder so zurück. Manchmal reisen wir auch zusammen.
    Und dein Vater?
    Ist tot.
    Oh, das tut mir leid.
    Ist schon okay. Kein Ding. Wir sind besser dran ohne ihn.
    Hm, sagte Jim.
    Und was ist mir dir, Schätzchen? Fragte sie mit der Stimme einer berühmten Schauspielerin, einer, die er kennen sollte. Erzähl mir von dir.
    Mein Vater war auch Zahnarzt.
    Ehrwürdige Tradition. Und deine Mutter?
    Hat nicht gearbeitet.
    Du meinst, Kinderbetreuung, Hauswirtschaft und Buchhaltung?
    Wie alt bist du?, fragte Jim.
    Alt genug, um deine Großmutter zu sein.
    Jim lachte. Der war gut, sagte er.
    Eben, sagte sie.
    Carl kauerte derweil in seinem Zelt auf dem Campingplatz und schrieb Postkarten. Um den Freunden in Washington Hallo zu sagen, zu erzählen, wie es ihm ging und wie es Monique ging, denn Monique schrieb keine Postkarten. Außerdem schlief Monique offensichtlich nicht

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