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Die Unermesslichkeit

Die Unermesslichkeit

Titel: Die Unermesslichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Vann
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in Zelten. Sie hatte irgendwo was Besseresgefunden. Auf dem Zettel stand nur: Bis morgen. Das kotzte ihn an. Er wäre in den Regen hinausgelaufen und hätte sich die Klamotten zerrissen und gewütet wie König Lear, aber es gab keine Zuschauer. Monique hätte es weder gesehen noch verdauen müssen. Am Ende wäre er nur nass geworden und hätte zerrissene Klamotten. Das war alles ätzend.
    So was in der Art passierte dauernd seit ihrer Ankunft in Soldotna. Carl und Monique hatten an ihrem ersten Tag vom Fischen mit Drillingshaken auf der Landzunge in Homer gehört und waren sofort im Mietwagen dort runtergefahren. Da hatte Carl noch etwas Geld übrig.
    Monique fand Homer wunderschön. Während Carl seine Ausrüstung besorgte, spazierte sie am Hafen herum. Die Berge auf der anderen Seite der Bucht ragten in gezackten Reihen direkt aus dem Wasser und hatten noch Schnee auf ihren Gipfeln. Kormoranschwärme streiften den schwarzen Sandstrand, das Wasser funkelte in der späten Abendsonne, und als Monique, die Augen beschirmend, in die Bucht hineinblickte, sah sie die Fontäne eines Buckelwals golden glitzernd aufsteigen und schließlich über die Wasseroberfläche wehen. Hier könnte ich leben, dachte sie. Dann spazierte sie durch die Docks, betrachtete die Boote und begegnete einem Fischer mit dunklem Haar und blauen Augen, der ihr etwas von Königskrabben und Heilbutt erzählte und der sanften See bei Nacht.
    Carl wusste davon, weil Monique es ihm hinterher alles haarklein erzählt hatte. So war sie. Es kam ihr garnicht in den Sinn, dass sie jemandem auf die Füße treten könnte.
    Nichts ahnend von dem dunklen schönen Mann mit den blauen Augen und seinem Gelaber über die Sanftheit der See, war Carl zum Rand einer Kiesbank gestapft, die teilweise mit trübem Wasser gefüllt war. Dreißig Meter breit und dreimal so lang, wirkte es wie ein stehender Teich. Carl sah vor Benzin schillernde kleine Ringe auf der Wasseroberfläche. Die Königslachse kamen offenbar trotzdem mit der Flut.
    Die Flut war gewaltig im Cook Inlet, einem flussartigen Strom, und wenn sie kam so gegen acht, dann kam sie schnell. Carl war beeindruckt. Die Lachse strömten herein, und hundert Angler, er darunter, fetzten aus allen Richtungen riesige beschwerte, köderlose Drillingshaken durchs Wasser, um vorbeiflitzende Lachse zu krallen. Häufig flog ein Haken aus dem Wasser, schoss an einer Reihe von Anglern vorbei und grub sich dahinter in die Kiesbank. Es war dumm und gefährlich. Aufgeschlitzt zu werden, sei gar nicht so ungewöhnlich, bekam Carl von einem der Stammangler mit einem Kichern zu hören. Zehnjährige peitschten dort draußen ihre Schnüre raus, ohne sich umzusehen, und alte Männer, tatterig vor Alkohol und Tabletten, hatten schon ganze Hakennester in ihren Westen und Hüten. Es war lächerlich und erniedrigend. Die gefangenen Lachse waren zerfleddert und fransig, aufgerissen von all den Haken, die sich wieder losgemacht hatten.
    Carl schrieb auf einer Postkarte an Moniques Mutter: Es ist fantastisch hier. Monique und ich genießenAlaska, die Landschaft, die Leute, das Fischen. Wir haben einen Fischer kennengelernt, der uns etwas über Königskrabben und Heilbutt erzählt hat, nachdem wir Kormorane gesehen haben, ganze Schwärme. Carl zerriss die Postkarte. Moniques Mutter fand ihn langsam. Schnecken-Carl nannte sie ihn hinter seinem Rücken. Das hatte Monique ihm erzählt. Carl rollte sich in den trockeneren Teil seines Schlafsacks und versuchte zu schlafen.
    Monique und Jim hatten ebenfalls ihre Probleme mit dem Schlafarrangement. Sie hatten gerade einen herrlichen Lachs mit Wildreis und Weißwein und ein etwas ramponiertes, aber nach Jims Meinung köstliches Omelette surprise gegessen, das er nach Rezept selbst zubereitet hatte. Yo-Yo Ma spielte im Hintergrund, und Jim malte sich tollen Sex aus. Dann fragte Monique, wo sie schlafen werde.
    Was?, fragte Jim.
    Ich bin ein bisschen müde, sagte sie. Bin gestern Nacht zu lange aufgeblieben, also dachte ich mir, gehe ich nach so einem wunderbaren Essen mal früh schlafen. Es war wirklich hervorragend. Du bist ein Meisterkoch. Und sie erhob ihr Glas auf ihn.
    Äh, sagte er. Hm. Ich hatte eigentlich gedacht, ich fahre dich noch irgendwann zurück. Jim geriet in Panik. Rhoda blieb zwar manchmal bei ihren Eltern, wenn sie bei ihnen aß, aber nicht immer, nicht mal häufig.
    Du denkst nicht im Ernst daran, mich mitten in der Nacht zu diesem Campingplatz zurückzufahren.
    Nein, nein,

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